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Alice@Hollywood

Alice@Hollywood

Titel: Alice@Hollywood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bunzel , Andreas Gaw
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wobei sein bestes Stück kontinuierlich auf der Schreibtischplatte hin und her gleitet. Oh, mein Gott. Ich will da nicht hinschauen, kann aber meinen Blick auch nicht abwenden. Jetzt hat er alle Anschlüsse zusammen und dreht sich zu mir. Nicht hingucken , Alice! Schau ihm einfach in die Augen und lächle. Ein Knopfdruck, und eine Rhythmussequenz auf dem Keyboard setzt ein. Während der Typ eine Melodie ausschließlich auf den schwarzen Tasten spielt, erklärt er mir, er sei Teil einer lebenden Musikperformance. Die Melodie klingt asiatisch und irgendwie auch ganz beruhigend. Seine Absicht sei es, Körper und Musik in Einklang zu bringen, verspricht er weiter. Er fordert mich auf, die Augen zu schließen und nur auf die Abfolge der Töne zu achten. Bei jedem Anschlag der Tasten soll ich mich aber gleichzeitig auf eines meiner Körperteile konzentrieren. Auf diese Weise werde eine Verbindung zwischen Organismus und Tönen hergestellt. Ich schließe die Augen, allerdings nur, um nicht weiter auf sein Glied schauen zu müssen. Den Firlefanz mit der Körper-Musik-Connection schenke ich mir. Ruth würde das sicher gefallen, aber die kann sich ja auch für Tofu in Form von Brezeln begeistern. Ein wenig klimpert der Kerl noch vor sich hin, dann wird die Tonfolge lauter und intensiver. Ob ich es spürte, will er wissen. Ich bejahe mit geschlossenen Augen. Das wiegt ihn in Sicherheit. Der Maestro hat ein Rad ab. Womöglich wäre ich besser dran gewesen, es hätte sich tatsächlich um einen Terroristen gehandelt. Allerdings, was er da dem Keyboard antut, ist nicht weit von einem Anschlag entfernt.
    »Yes, yes, yes !« , ruft er ekstatisch.
    Plötzlich bricht die Musik ab. Lediglich das monotone Dumdidumdidum der Rhythmusmaschine ist noch zu hören. Ich wage zaghaft zu blinzeln. Durch den Schlitz meiner Augenlider sehe ich, welche Einheit die Musik mit seinem Körper bildet. Er hat Mühe, sein zu voller Größe angewachsenes Prachtstück in Zaum zu halten. Das reicht. Entschlossen stehe ich auf. Ich erkläre, dass ich jetzt erst mal ins Badezimmer gehen möchte. Right now! Doch der Meister schiebt sich mir in den Weg. Schranke! Er fordert mich auf zu warten, bis seine Performance den "Höhepunkt erreicht hat. Oh nein. Ganz bestimmt nicht. Ich stoße einen spitzen Schrei aus. Keine Reaktion. Die Schranke blockiert noch immer den Ausgang. Panisch schaue ich mich im Zimmer um. Im Schrank verstecken wäre wohl nicht die beste Idee. Unter dem Bett würde er, nehme ich an, auch ziemlich schnell suchen. Das Fenster. Beherzt rupfe ich die Gardine runter. Ich reiße das Schiebefenster nach oben, wobei einer der Riegel ausbricht und mich an der Schläfe trifft. Egal. Solche Häuser haben immer eine Feuerleiter, das weiß ich aus zahllosen amerikanischen Spielfilmen. Dieses zum Glück auch. Im Nu schlüpfe ich nach draußen auf die Metallplattform. Mr. Ekstase ruft mir von drinnen nach, dies sei auch eine Art Körperlichkeit und ich solle mich nicht schämen, meiner Stimmung durch einen Sprung aus dem dritten Stock Ausdruck zu verleihen. Und auf einen Sprung scheint es tatsächlich hinauszulaufen, denn von der verrosteten Plattform, auf der ich stehe, führt leider doch keine Leiter nach unten. Über mir bevölkert eine Taubenfamilie die Sprossen. Ich kann gerade noch ausweichen, bevor mich der dünnflüssige Strahl am Kopf trifft. Wohin jetzt? Von der Plattform bis zum nächsten Fenstersims sind es nur knappe fünfzig Zentimeter. Gut, dass ich heute Sneakers anhabe. Behände wie Catwoman schwinge ich mich auf die Brüstung der Plattform. Aus dem Zimmer hinter mir höre ich eine dramatische Tonfolge. Offenbar steht der Meister am Fenster und begleitet meine Akrobatik musikalisch auf dem Keyboard. Der erste Fuß hat bereits die erforderliche Distanz bis zum Fensterbrett zurückgelegt. Alles knarrt und  wackelt. Meine Hand findet Halt am Fensterrahmen. Ich versuche, den anderen Fuß nachzuziehen, rutsche aber zur Seite. Crescendo! Ein paar besonders dramatische Akkorde bereiten akustisch meinen Absturz vor. Okay. Jetzt oder nie. Ich springe. Mit einem Satz klebe ich auf dem Sims und kann weder vor noch zurück. Die Musik hinter mir schwillt weiter an. Die Tauben haben Spaß an meiner misslichen Lage und feuern, was das Zeug hält. Plötzlich öffnet sich das Fenster, vor dem ich hänge. Zwei starke Hände greifen nach mir.
    »Steve !« , schießt es mir durch den Kopf. Mein Retter! Ich strample noch ein wenig, finde mich aber in nächster

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