Alice@Hollywood
ansehen. Sicher sei da noch einiges zu machen, aber Willy sei sehr geschickt mit den Händen, das weiß Jenny aus der vergangenen Nacht. Wenn der Laden nicht der komplette Rip-off sei, würden die beiden das Kino kaufen und ein kleines Juwel daraus zaubern, ist sich meine mampfende Freundin sicher. Sie ordert noch zwei Cheeseburger für unterwegs, löst vorsichtig ihren schwarzen Lederrock von den klebrigen Plastikpolstern der Eckbank und verabschiedet sich augenzwinkernd.
Mein Plan für heute steht ebenfalls fest. Ich werde es noch einmal bei Steve probieren. Schon bald werden wir uns wiedersehen. Und wenn ich den ganzen Tag vor seiner Tür campieren muss, wie beim Anstehen für Tickets zur Kölner Karnevalssitzung. Allmählich bin ich ein wenig aufgeregt. Mindestens fünf Schmetterlinge sind soeben in meinem Bauch aus ihren Kokons geschlüpft. Aber was soll's. Heute geht's zu Steve. Ruth will sich mir anschließen: Sie hat einiges von Edgar Allen Poe gelesen, deshalb möchte sie mit nach Soho. Nina will unbedingt auf die »Star Tour New York« gehen.
»Das ist der totale Nepp«, findet Ruth und blättert in dem Prospekt, den Nina mitgebracht hat. »Für 35 Dollar fährst du an ein paar Häusern vorbei, in denen angeblich irgendwelche Schauspieler wohnen. Du knipst die Haustür und bist glücklich. Wie doof ist das denn? !« , sagt sie kopfschüttelnd. Aber Nina lässt sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Wer weiß, vielleicht kommt ja tatsächlich gerade Bruce Willis aus seinem Apartment, sieht Nina und verliebt sich in sie. Solange die vage Hoffung besteht, dass Bruce Willis nach Deutschland fliegt, um Markus zu verprügeln, ist Nina bereit, fast jeden Preis zu bezahlen. Nur nicht für ihr Frühstück.
»Ich bin dann weg .«
Sagt's und ist auch schon raus aus dem Burger-Laden.
Ruth fummelt einen Notizblock aus der Tasche und schreibt säuberlich 2 Dollar 70 hinein. Dahinter kritzelt sie »Alice«, um zu dokumentieren, dass Nina diese Schulden bei mir gemacht hat.
»Lass das«, ich schaue sie ungläubig an, »das ist doch nicht so wild. Das nächste Mal zahlt Nina, und irgendwie gleicht sich das schon wieder aus .«
»Das habe ich auch gedacht«, gibt Ruth zurück. Dann reicht sie mir eine Liste, deren erster Eintrag fast ein Jahr zurückliegt. Demnach hat Ruth Nina in den vergangenen zwölf Monaten Kaffee, Eis, Straßenbahntickets oder Spenden an Obdachlose in Höhe von 132 Euro 20 vorgestreckt. Zurückbekommen hat sie bisher lediglich drei vierzig für einen Latte macchiato im Cafe Dezentral. Und auch nur, weil Ruth seinerzeit wirklich und nachweislich ihr Portemonnaie vergessen hatte.
Als wir wortlos nebeneinander die Third Avenue heruntertrotten, fallen mir nach und nach eine Menge Begebenheiten ein, bei denen ich für Nina mitbezahlt habe. Ich denke, der Einfluss von Markus hat sich langsam auch schon in ihren Gehirnwindungen festgesetzt.
»Was meinst du, Alice, warum wir zwei dicke Autos und eine Villa mit Pool haben ?« , hat er irgendwann mal zu mir gesagt, »sicher nicht wegen unserer Großzügigkeit!«
Ich wende mich an Ruth. »Ich krieg noch zwei siebzig von dir, fürs Frühstück !«
Ruth sieht mich entgeistert an, als hätte ich gesagt, dass ich ihr gerne mal eine lebende Schlange in den Mund schieben möchte.
»Du hast sie ja wohl nicht mehr alle !« , donnert sie zurück. »Ich dachte, du bist meine Freundin. Was willst du mir eigentlich unterstellen? Dass ich dich bescheiße ?«
Ruth ist sichtlich angefressen. Ich kapiere allmählich überhaupt nichts mehr. Offenbar hat der Jetlag uns alle gehörig durcheinander gewürfelt. Ruth hält mir einen Vortrag über Menschenkenntnis und den Umgang mit seinen Freunden, speziell auf gemeinsamen Auslandsreisen. Meine Einzelaktionen gingen ihr schon eine Weile auf den Geist und ich sollte wohl besser mal nachdenken, wie das rüberkommt, wenn ich sie wegen lächerlicher zwei Dollar pillepalle anhaue.
»So. Und jetzt gehst du mal schön allein zu deinem Steve und denkst darüber nach, was ich dir eben gesagt habe !«
Damit lässt Ruth mich stehen und verschwindet in der nächsten Drogerie. Ach ja. Natürlich. Sie kriegt ihre Tage. Das ist bei Ruth immer heikel. Einmal hatte ich sie kurz vor Beginn ihrer Regel bei mir zum Essen eingeladen. Ruth hat die komplette Suppenterrine vom Tisch gefegt, weil ich den Löffel auf der falsche Seite der Teller platziert hatte. Wahrscheinlich sollte ich in Zukunft besser Helm und Protektoren tragen, wenn ich
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