Alice@Hollywood
Ninas Schulter. Er leitet sie ins Haus. Heather tuschelt etwas mit Sailor. Ruth und ich trotten in gebührendem Abstand hinterher.
»Scheinen doch ganz nett zu sein !« , sagt Ruth tonlos, während sie sanft ein paar Hühner zur Seite kickt, die sich um ihre Knöchel scharen.
Ich schaue Ruth eindringlich an.
»Vielleicht kriegen wir was zu essen. Jeder, der mir jetzt was Anständiges zu essen gibt, ist nett !« , fügt sie zur Erklärung hinzu.
Und, wie nett, wir kriegen tatsächlich etwas zu essen. Eine halbe Stunde später sitzen wir im Wohnzimmer vor einem reichhaltig gedeckten Tisch. An der Stirnseite Herrman, wie es sich gehört. Viele verschiedene Sorten Käse. Na klar, wir sind in Wisconsin. Aber auch Berge von Wurst und Schinken. Mit Honigkruste oder in Pfeffermantel. Reichlich Auswahl. Heather animiert uns, kräftig zuzugreifen. Herrman hingegen zeigt auf diverse Lebensmittel und erklärt uns nachdrücklich, dass wir weder vom Honigschinken noch vom Ziegenkäsedip probieren sollen.
»Das schmeckt überhaupt nicht !« , stellt er entschieden fest. Dabei zieht er die Sachen näher an seinen Teller. Ruth und ich schauen uns etwas verwirrt an, doch Sailor erklärt den ganz besonderen Humor von Herrman. Er wolle damit nur zum Ausdruck bringen, dass Schinken und Käse so gut schmeckten, dass er am liebsten nichts davon abgeben möchte. Nina lacht, was die Wampe wohlwollend zur Kenntnis nimmt. Gönnerhaft schneidet Herrman seiner neuen besten Freundin auch eine Scheibe Honey-Schinken ab. Dann rollt er die Scheibe zusammen und steckt sie Nina in den Mund. Genau wie unser Metzger mir früher die Fleischwurst gereicht hat. Allerdings war ich damals erst fünf Jahre alt. Heather scheint an das befremdliche Verhalten gewöhnt zu sein. Nina gibt ein zufriedenes »Hmm« von sich, aber ihre Augen verraten, dass auch sie Herrmans Fütterungseinlage für äußerst merkwürdig hält.
Während sich alles mit diversen Wisconsin-Spezereien vollstopft, denke ich darüber nach, was ich mir eigentlich von dem Trip hierher versprochen habe. Steve wohlbehalten bei seinen Eltern vorzufinden, natürlich. Erst recht, wo hier das größte kulturelle Ereignis des Jahres über die Bühne geht. Andererseits rauschen auch bei uns nicht alle von Gottweißwoher zurück in ihre Heimat, sobald dort so was Prickelndes wie die Bonner Bierbörse stattfindet. War wohl etwas blauäugig von mir. Hier treibt sich Steve jedenfalls nicht rum. Es sei denn, er versteckt sich in einem Wandschrank. Wozu er guten Grund hätte. Wenn ich mir die Stadt und seine Eltern genauer ansehe, kann man wohl froh sein, dass er nicht in einem Atemzug mit Charles Manson genannt wird. Immerhin wird mir die Familie mit einer aktuellen Telefonnummer oder Adresse behilflich sein können.
Heather reicht mir ein Corndog, das ist so was wie ein Bockwürstchen am Stiel, umhüllt von einem Teigmantel aus Maisbrot.
Du bist ein gutes Mädel, Alice. Das merkt man gleich«, lobt mich Mama Walton. »Vielleicht kannst du Steve ja zur Vernunft bringen .«
Würd ich gern, aber dazu müsste ich ihn erst mal finden, denke ich. Und überhaupt, wieso zur Vernunft bringen? Ehe ich weiter nachfragen kann, mischt sich Herrman ein.
»Ich hatte eigentlich mehr von ihm erwartet, aber ... na ja ...«, fügt er hinzu. Ich habe keine Ahnung, wovon die beiden reden und hake nach. Doch der Mann mit dem deutschen Namen hüllt sich in Schweigen. Schließlich fühlt sich Heather brotschneidend genötigt, eine Erklärung abzugeben.
»Weißt du, Steve ist ein guter Junge. Er war immer für uns da und hat uns unterstützt. Und wir haben versucht, ihm alles zu geben, was er braucht .« Sie seufzt. Schon von klein auf hätten sie und ihr Junge ein ganz besonderes Verhältnis gehabt. Nicht wie Mutter und Sohn, eher wie Geschwister. Steve habe ihr immer alles erzählt und alle Schritte seines Lebens mit ihr besprochen. Er habe sogar lange mit ihr telefoniert und um Rat gebeten, ob er sich mit mir einlassen sollte.
»Die darfst du dir nicht durch den Lappen gleiten lassen, habe ich ihm geraten«, sagt Heather augenzwinkernd. Ich verzichte darauf, sie zu korrigieren, und fordere sie auf weiterzureden. Nachdem sie uns alle mit einer weiteren Ladung Monterey-Jack-Käse versorgt hat, atmet Heather tief durch. Eine Träne kullert über ihre Wange. »Jedenfalls verstehe ich überhaupt nicht«, fährt sie fort, »warum Steve ganz plötzlich nichts mehr von mir wissen will .« Er habe nur ganz kurz angerufen
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