Alice@Hollywood
verfolgt wurden.
»Oh, Mist. Jetzt hält man uns auch noch für Einbrecher«, jammerte Ruth.
»Streng genommen sind wir ausgebrochen .«
Ruth kam nur langsam wieder runter, während Ron den Wagen wieder Richtung Fat's Diner steuerte. Erst jetzt kam ihr der Gedanke, dass sich hinter Rons Hochgeschwindigkeitsreaktion vor Walkers Wohnung und seinem heiseren Kommando eine Erfahrung verbarg, die ein ungünstiges Licht auf seine Vergangenheit warf. Wenn nicht auf seine Gegenwart.
»Machst du so was häufiger ?« , fragte Ruth.
»Ich bin in St. Louis aufgewachsen. Eastside«, sagte er lapidar. Er setzte dabei ein hintergründiges Lächeln auf. Ruth verstand nicht, was er damit sagen wollte. Und eigentlich wollte sie es auch nicht wissen. Nicht jetzt.
»Jedenfalls Tatsache ist«, fuhr er fort, »dass Mister Walker Allison auf dem Weg zu Fat's Diner ist. Und er hat dein Gepäck dabei. Und dort wartet seine Misses, und die hat deine Handtasche. Wir müssen uns nur einen Weg ausdenken, an beides ranzukommen .«
»Nur ?« , stellte Ruth fest.
»Keine Angst. Das kriegen wir schon hin .«
»Weil das auch zu den Dingen gehört, die man in St. Louis auf der Straße lernt ?«
»Das ist mein Mädchen«, sagte Ron nur und unterstrich die Bemerkung wieder mit einem hintergründigen Lächeln.
Ron lehnt sich zu Ruth herüber und drückt ihr ein sanftes Küsschen auf den Hals. So, wie er es sicher oft getan hat die letzte Nacht. Ich kämpfe eine leise Eifersucht nieder: Ich renne wie blöde einem Kerl hinterher, ohne ihn zu finden, und Ruth findet einen Kerl, obwohl sie nur ihrem Gepäck hinterherrennt.
Nina hat sich inzwischen entschlossen, die Fassungslosigkeit als Standardgesichtsausdruck zu wählen, solange Ruth und Ron ihre Geschichte zum Besten geben. Ich zeige mich beeindruckt. Bis jetzt dachte ich, nur ich sei darauf abonniert, ein völliges Chaos heraufzubeschwören, wenn ich nur vorhabe, eine Tüte Milch zu kaufen. Ruth hat mächtig dazugelernt.
»Na ja«, sagt sie, »das mit dem >Hinkriegen< war dann doch nicht ganz sooo einfach .«
»Hab ich mir schon gedacht«, sage ich.
Ron verzieht nur kurz die Mundwinkel und tut die Geschichte damit als Kleinigkeit ab. Ist für ihn wohl tatsächlich nur so was wie mal eben eine Tüte Milch kaufen.
»Vor diesem Diner stand wirklich ein Taxi«, erzählt Ruth weiter, »und Ron fand es einen genialen Einfall, mal eben so präventiv in den Kofferraum zu gucken .«
Ron spielt es wieder mit einem Mundwinkelzucken herunter.
»Präventiv meint auf Deutsch: ungefragt«, stelle ich fest.
Ron beackert betont unbeteiligt Frühstück Nummer drei.
Ruth bestätigt meine Annahme mit einem Nicken und fährt fort: »War natürlich nicht Walkers Taxi, sondern das eines Kollegen. Was nicht so schlimm gewesen wäre, wäre der nicht in diesem Augenblick aufgetaucht .«
An diesem Punkt der Geschichte versinkt Ron dann doch in Gedanken an seinen genialen Einfall tiefer in seine Mahlzeit.
»Und auch das wäre vielleicht nicht ganz so schlimm. Aber der Kerl hatte die Statur eines Grizzlys. Mit Händen so groß wie Stoppschilder. Und er war in der Stimmung, uns einen Krankenhausaufenthalt zu bescheren, weil er uns für Autodiebe hielt .«
Nina sucht Ruth nach den Spuren einer heftigen Schlägerei ab und kann zu ihrer Beruhigung nichts finden.
»Und da hatte Ruth einen genialen Einfall«, sagt Ron mit einem Tonfall, der das Gegenteil vermuten ließ. »Sie hat behauptet, wir wären Freunde von Walkers Misses .«
»Aber das ist doch ganz pfiffig«, quietscht Nina dazwischen, das Happy End herbeisehnend.
»Wenn wir so aus der Nummer rausgekommen wären, schon«, sagt Ron.
Jetzt ist es Ruth, die ein wenig kleinlaut reagiert. »Der Grizzly hat uns gebeten, drinnen mit ihm auf die beiden zu warten .«
»Wobei er uns höflich darauf hingewiesen hat«, ergänzt Ron ironisch, »dass wir im Falle einer Weigerung doch noch die Intensivstation kennen lernen würden .«
»Was blieb uns übrig. Entweder vermöbelt uns der Kerl oder wir warten drinnen, Walkers Freundin taucht auf, alles fliegt auf und dann vermöbelt uns der Kerl .«
Fat's Diner hätte auf zufällig hereinschneiende Gäste völlig harmlos gewirkt. Ruth und Ron waren nicht ganz so zufällig hereingeschneit, und für beide hatte noch das kleinste Glitzern im Auge des Wirtes etwas Bedrohliches. Sie quetschten sich in eine Ecke. Der Laden hatte Bänke mit hohen Rückenlehnen, sodass sie nicht von allen Plätzen aus gesehen werden konnten.
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