Alice at Wonderland
hat!« Was er da in Wirklichkeit getrunken hat, habe sie ihm nie erzählt. Und eingeladen habe sie ihn auch nie wieder, diesen Blender!
Obwohl das Glas Ouzo 3,90 Euro kostet, besteht mein Vater jetzt darauf, die Rechnung zu übernehmen. Nur Trinkgeld will er nicht geben. Ich wittere meine Chance und spreche noch einmal die Sache mit dem Hotel an. Es dauert eine Weile, bis ich den beiden plausibel gemacht habe, dass ich sie nicht abschieben will, wenn sie nicht bei mir in der Wohnung übernachten. Doch erst als ich er wähne, dass eine Etage unter mir ein Italiener wohnt, der sich ein neues Schlagzeug gekauft hat und jetzt jede Nacht damit übt, um später einmal bei R.E.M. einzusteigen, wil ligt Papa ein. Wir einigen uns darauf, dass ich die Rech nung beim Griechen übernehme und Papa in der kommenden Woche das Hotel zahlt. Ab morgen, denn es sei ja schon spät, und die erste Nacht könnten sie ja auch in meinem Bett verbringen. Ich erkläre mich also bereit, auf dem Sofa zu schlafen. Meine Mutter will wissen, warum ich als Single eigentlich so ein breites Bett habe, aber Papa verweist nur auf die Kondome, die er in meinem Nachtschrank gefunden hat. Da klingelt mein Handy.
»Nein, heute geht es wirklich nicht mehr«, flüstere ich in das Mikro, »meine Eltern sind doch zu Besuch ... also gut. Aber nur kurz. Ich komme vorbei!«
Ich will meinen Eltern gerade erklären, dass mein Chef mich ins Büro zitiert hat, weil unsere Internetseite abge stürzt ist und ich das Problem beheben muss. Doch die beiden hören nicht zu. Vielmehr interpretieren sie in den Anruf ein heimliches Date mit meinem Freund hinein. Das erkläre auch, warum ich die beiden partout nicht in mei ner Wohnung haben wolle. Mein Lover und ich brauchten wohl Ruhe in unserem Liebesnest. Für Erklärungen bleibt keine Zeit. Die beiden würden es ja ohnehin nicht glau ben. Also mache ich mich auf den Weg in die Redaktion. Natürlich nicht, ohne vorher sicherzustellen, dass meine
Eltern auch in die Wohnung zurückfinden. Adresse auf geschrieben, Telefonnummer und Nummer der Taxizen trale.
»Dauert nicht lange!«, sage ich, und meine Mutter raunt mir zu, ich solle mir ruhig Zeit lassen, die Männer würden es nicht mögen, so schnell.
Ich schnappe mir meinen Mantel und verlasse das Restaurant. Im Halbdunkel der Straßenlaterne steht eine Gestalt wie Lili Marken. Ein Mann löst sich aus dem Schatten und tritt in den Lichtkegel. Es ist Dimitri.
»Schon peinlich, wenn einen die Eltern verkuppeln wollen!«, sagt er, und ich bin erleichtert, dass er mich nicht anmacht, sondern mir nur kondolieren will. Wir gehen ein Stück zusammen, denn er hat zufällig den glei chen Weg und möchte nicht, dass ich allein nachts durch die dunkle Stadt gehe. Ich erfahre, dass Dimitris Eltern schon vor über dreißig Jahren nach Deutschland gekom men sind und er hier geboren ist. Außerdem erzählt er mir, dass er gar nicht verheiratet ist. Das sei eine kleine Lüge gewesen, um mich vor weiteren Peinlichkeiten zu bewahren. Und jetzt schuldete ich ihm was. Aha, dachte ich's mir doch. Wenn Männer selbstlos freundlich sind, gibt es immer einen Haken. Dimitri legt seinen Arm um meine Schulter, und jetzt muss ich mir verdammt schnell etwas einfallen lassen. Sanft schiebe ich ihn zu rück und bleibe vor ihm stehen. Selbstbewusst umfasse ich Dimitris Oberarme und schaue ihm tief in die Augen. Eigentlich sieht er gar nicht so schlecht aus, aber Grie chen haben immer eine Mutter wie Elena Sarikakis, für die ihr Sohn zu schade ist, um seine Liebe an eine deut sche Schlampe zu verschenken. Das gibt nur Stress. Das brauche ich nicht. Ich schüttle ein wenig den Kopf, um ihm zu demonstrieren, dass ich jetzt gleich etwas Wichtiges sagen werde. Dimitri versteht das Signal und zieht seine Hand zurück, die sich mittlerweile auf die Suche nach meinem Hinterteil begeben hatte. Es gebe einen Grund, warum ich noch nicht verheiratet sei, erkläre ich dem stolzen Griechen. Einen Grund, von dem meine Eltern nichts wüssten.
»Ich bin lesbisch!«
Dimitri weicht instinktiv ein paar Schritte zurück, und ich nicke mit dem Kopf. Ich erkläre ihm, dass ich mei nen Eltern noch nichts von meiner Veranlagung gesagt hätte, da Papa und Mama so was für absolut unnatürlich hielten. Was Dimitri nur bestätigen kann. Der Rest ist ein Kinderspiel. Ich fange an, in blumigen Worten zu schildern, warum die Liebe zu einer Frau viel mehr bedeutet als die Liebe zu einem Mann. Und ich muss gar nicht mal ins
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