Alice at Wonderland
soll te jetzt meinen Resturlaub antreten, damit ich in einem Monat wieder da bin, wenn sie ihr Baby bekommt. Ich überlege kurz, ob ich kotzen soll, so glücklich macht mich diese Ankündigung. Ich habe noch nie darum gebettelt, arbeiten zu dürfen, »ich würd sogar zum halben Lohn und nur in Unterwäsche ...« Mein Boss scheint einen kurzen Augenblick weich zu werden, dann ordnet er aber doch unwiderruflich meinen Urlaub an. Diese Woche könne ich noch an meinem Schreibtisch bleiben, egal was ich da bei anhätte, aber danach wolle er mich für drei Wochen nicht sehen.
Am Abend beginne ich, mir ernsthaft Gedanke darüber zu machen, was ich mit der arbeitsfreien Zeit anfangen soll. Vielleicht ist es ja echt spannend, ganz spontan in den Urlaub zu fahren. So wie spontan Sex. Einfach mal auf etwas Unbekanntes, Unerwartetes einlassen ... und am nächsten Morgen mit einem schlechten Gewissen und Schuldgefühlen aufwachen. Nee. Das ist nicht das Rich tige für mich. Eins ist zwar klar, ein fremdgesteuerter, spaßabsorbierender Cluburlauber werde ich nie werden, aber der Lonely Wolf, der ohne Planung mit dem Back pack und seiner neuen
Helly-Hansen-Fleecejacke durch das Zentralmassiv stolpert, bin ich auch nicht. Ein wenig Vorbereitung ist in jedem Fall ratsam.
Aus Resten von Paprika, Reis und Tiefkühl-Shrimps koche ich mir eine Paella, um beim ersten Bissen einen Spanienurlaub rigoros auszuschließen. Was kann man sonst noch machen? Der Karton mit alten Urlaubsfo tos kann eventuell als Inspiration dienen. Ich mache jede Menge Teelichter im Wohnzimmer an, schiebe den Couchtisch beiseite und breite meinen 68er-Schlafsack auf dem Boden aus, auf den ich schon bei meiner ersten In terrailtour eine halbe Flasche Rotwein verschüttet hatte. Eine gute Grundlage, denke ich. Aber mit dem Zug quer durch Europa kommt heute für mich nicht mehr infrage. Damals war das okay, von Biarritz bis Marseille auf dem Gang liegen und eine Woche nur Baguette essen. Aber damals habe ich ja auch noch geglaubt, dass Männer niemals »Ich liebe dich« sagen, nur um dich ins Bett zu kriegen. Dem ist nicht so, das weiß ich mittlerweile, und deshalb werde ich meinen Urlaub auch nicht in überfüllten Zügen verbringen.
Die Fotos von Norwegen lassen in mir zwar eine schöne sentimentale Erinnerung aufkommen, aber man erlebt nie zweimal das gleiche Gefühl an
ein- und demselben Ort. Außerdem habe ich in diesem Urlaub in den Fjorden Ma rillion-Texte übersetzt und Petitionen für Amnesty geschrieben. Inzwischen ist Nelson Mandela frei und Fish mit seiner Solokarriere baden gegangen. Norwegen ist nichts mehr für mich.
Die Bilder meiner anderen Urlaubsreisen helfen mir letztlich auch nicht weiter. England, wie vor drei Jahren, wäre okay. Aber Madame Tussaud's Wachsfiguren habe ich ja nun schon gesehen. Wimbledon ist in den nächs ten drei Wochen nicht, und von Fish and Chips kriege ich Sodbrennen. Die Schweiz ist zu teuer. Denke ich jeden falls, das sagt man ja schließlich immer so. Und in Holland war ich erst über Silvester.
So komme ich nicht weiter. Ich setzte mich an meinen Computer und gebe »wohin soll ich verreisen« bei Google ein. Es gibt sogar ein paar Hits, aber die entsprechenden Seiten wollen mir entweder Bochum oder Leer in Ost friesland schmackhaft machen. Ich bin eine Frau, und ich bin knapp über dreißig. Da passt beides nicht so richtig. Dann habe ich eine Idee. Vielleicht kann Alex mir helfen. Was er wohl für ein Urlaubstyp ist? Ich schicke ihm eine
E-Mail, in der ich mein Dilemma schildere, und kriege auch prompt eine Antwort: Mallorca!
Das gibt's ja wohl nicht. Alex schlägt doch nicht allen Ernstes den Ballermann vor. Meine wohl etwas unflätige Replik zwingt ihn in seiner nächsten Mail zur Stellung nahme.
Hi Alice!
Nein, ich habe mir nicht das Gehirn weggebrezelt. Und ich habe auch nicht zu lange in einem Eimer Sangria gebadet. Mallorca war natürlich kein ernst gemeinter Vorschlag. Es gibt drei Arten von Leuten, die nach Mallorca fahren. Die einen sind die klassischen Ballermänner, die glücklich sind, in Jürgen Drews endlich wieder einen König zu haben, und alles dransetzen, selbst blaues Blut zu kriegen. Die anderen sind die Touris, die sich nachdrücklich von den Party-Travellern distan zieren. Die glauben, sie lernen die andere Seite der Insel kennen. »Der Norden soll ja so schön sein. Und das Hinterland hat noch immer eine einzigartige Vegetation. Wir waren ja gar nicht in diesen Tourismusgebieten. Da
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