Alice at Wonderland
gab es so ein kleines spanisches Restaurant. Nur Einheimische.
Da verirrt sich der normale Tourist ja gar nicht . hin.« Und ich kann dir auch sagen, warum. Weil die Küche einfach grauenhaft ist und sich die Insulaner nichts anderes leisten können. Und zu der dritten Gruppe gehöre ich. Die, die gezwungen werden, dorthin zu reisen. Ich fliege nämlich morgen für drei Tage nach Mallorca. Unsere Fir ma macht einen Betriebsausflug, und unser Chef dachte, das wäre doch mal was Besonderes. Bete für mich. Liebe Grüße, Alex
Der Arme. Alex wird mir immer sympathischer. Fast bekomme ich Mitleid mit ihm. Was kann das nur für eine Firma sein, in der der Chef so grausam ist und seine Ange stellten nach Mallorca zwingt. In solchen Betrieben muss man womöglich sogar ein dreizehntes und vierzehntes Monatsgehalt in Kauf nehmen. Furchtbar. Vielleicht sollte ich Alex raten, auf der Stelle zu kündigen. Bei meiner Ent scheidungsfindung bringt mich das allerdings auch nicht weiter.
Die kommenden zwei Tage verbringe ich damit, den Gedanken an meinen bevorstehenden Urlaub zu verdrän gen. Aber es nützt ja nichts. Wenn ich nicht zu Hause blei ben will, dann muss ich allmählich etwas unternehmen. Also: auf ins Reisebüro.
Martin heißt mein Reiseberater, ein hagerer Typ mit Drei-Tage-Bart, der aussieht, als hätte er schon zusam men mit Reinhold Messner und dem Yeti gefrühstückt. Er bittet mich zunächst, einen sechsseitigen Fragebogen auszufüllen, um herauszufinden, was für ein Urlaubstyp ich bin. Als ich die Frage »mögen Sie Döner« mit »nein« beantworte, fällt Türkei schon mal flach. Für Antanana rivo bekomme ich neun Punkte, da aber meine Franzö sisch-Kenntnisse zu wünschen übrig lassen, scheidet auch Madagaskar aus. Martin bemüht sich redlich und hilft mir sogar heimlich bei einigen Fragen. Was er eigentlich nicht darf, aber sein Chef ist gerade mittagessen. Die Auswertung ergibt dann folgendes Bild von mir:
Ich bin eine naturverbundene Individualtouristin, die gerne Anschluss findet und auf Reisen das großstädtische Flair nicht missen möchte. Aufgrund meiner Flugangst (da muss ich wohl ein Kreuzchen falsch gesetzt haben) kom men in erster Linie Reisen zu Zielen infrage, die bequem mit dem Auto zu erreichen sind. Am besten entspanne ich mich am Meer oder in den Bergen. Mit Urlaubsbe kanntschaften sollte ich nicht gleich in der ersten Nacht ins Bett steigen, und ich hatte als Kind weder Scharlach noch Windpocken.
Martin nickt zuversichtlich. Mit dem Ergebnis stehen mir praktisch alle Urlaubsländer als potenzielle Ziele of fen. Nach einer kurzen Untersuchung meiner Lungen funktionen schlägt mir mein Reiseberater eine Trekking tour durch die Rocky Mountains mit anschließendem Badeaufenthalt in Venice Beach vor. Und ich muss sagen, das klingt tatsächlich irgendwie verlockend.
»Okay, dann buch das mal!«, sage ich zuversichtlich, und Martin beginnt wie wild Codes und Kürzel von Flug häfen in den Computer zu hacken. Dass Frankfurt FRA heißt, macht Sinn, aber warum New Orleans MSY ab gekürzt wird, kann Martin mir auch nach einer weiteren Stunde nicht erklären. Plötzlich fällt uns ein, dass ich da ja gar nicht hinwill. Glück gehabt. Martin gibt mir lächelnd einen Knuff und macht sich wieder an die Arbeit. End lich rattert der 9-Nadel-Drucker, und ich bekomme meine Urlaubsreise präsentiert. Zwei Wochen Kalifornien! Flug von Frankfurt nach San Francisco mit Umsteigen in Lon don und New York. Mietwagen. Eine Woche Guided Tour durch den Yosemite Nationalpark, mit Lagerfeuer romantik und Bärenjagd. Danach eine Woche Strandur laub am Pazifik mit Unterbringung im Hotel Avalon in Beverly Hills. Besuch von Disney World und Universal Studios. Wahlweise eine Nacht mit George Clooney oder Homer Simpson und Rückflug ab Los Angeles. Alles zusammen für nur 3899 Euro pro Person bei Unterbringung im Doppelzimmer.
Ein Top-Preis, versichert mir Martin, in Anbetracht der Tatsache, dass ich übermorgen schon fliegen will. Da wür de mein Freund aber Augen machen. Wortlos deute ich auf das Wort »Single« auf Seite 2 des Fragebogens. Und sofort legt Martin wieder los. Das hätte er ja komplett überse hen, da würde sich doch garantiert etwas Preisgünstigeres finden lassen. Und tatsächlich. Das ganze Programm be kommt Martin auch für 755 Euro als Expedienten-Ange bot. Der einzige Haken dabei ist, dass die Flugscheine auf seinen Namen ausgestellt werden und ich ihn zu diesem Zweck am besten noch heute
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