Alice at Wonderland
Sex-Monster. Hab ich womöglich im Moment Bedarf an einem kurz geratenen Tarzan? Wenn mir schon alle Welt unterstellt, ich würde ihn anmachen, vielleicht sollte ich genau das tun. Er macht mir einen Strich durch die Rechnung.
»Nee«, sagt er kopfschüttelnd, »bestimmt nicht. Aber um nochmal auf ihre Mutter zurückzukommen ...«
Der ist nicht zu knacken. Kann sein, dass ich eine echt wilde Nacht mit ihm hinbekäme, aber beim Frühstück würde er dann alle Verwandschaftsgrade seiner Ex durch gehen. Wer weiß, wer ihn noch alles nicht leiden kann.
Seine Ex kann ihn ja offensichtlich nicht mal leiden. Wenn nicht ein Wunder geschieht, lerne ich heute noch all ihre Onkels und Tanten kennen. Vielleicht sollte ich einen Ohnmachtsanfall simulieren. Oder mit plötzlichen Hilfeschreien eine Panik auslösen. Aber da drüben steht eine, die mich sofort in eine geschlossene Anstalt einweist. Die wartet nur auf so eine Gelegenheit.
Und dann sehe ich im Augenwinkel, wie Ellen sich nä hert. Sie ist auf dem Weg zur Toilette. Jetzt oder nie. Ellen will sich mit einem jovialen Nicken vorbeidrücken, doch ich packe sie am Arm und zerre sie neben mich. Das »Hal lo wie geht's«-Getue lasse ich gleich weg.
»Hi, Ellen. Ich muss dir unbedingt Sven vorstellen. Er ist neu hier.«
Ich setze auf ihre Psycho-Ausbildung. Die werden dar auf getrimmt, bei Verrückten zunächst keinen Widerstand zu leisten. Ihr Zögern ist ihr Verderben. Ich schnappe meine Jacke.
»Entschuldigt mich kurz. Bin nur mal eben Zigaretten holen.«
Der beste Vorwand, seit Judas Jesus auf die Wange küss te mit den Worten: »Mir ist gerade danach.«
In ihrer Verblüffung fällt Ellen nicht ein, mich darauf hinzuweisen, dass ich die ganze Zeit nur einen halben Meter von einem Zigarettenautomaten entfernt gesessen habe, und ich kann entkommen. Zu Hause setze ich mich mit einem Glas Rotwein vor den Fernseher. Die beste Entspannung, die's gibt.
KLEINIGKEITEN UND ANDERE VERBRECHEN
»Also, wofür brauchen sie das Geld denn genau?«, will der junge Banker von mir wissen, der mir in der Kreditab teilung meiner Bank gegenübersitzt und seine geschmack lose Krawatte richtet.
»Ich habe die Nase voll vom Stadtleben«, erwidere ich, »Ich möchte mir ein kleines Häuschen auf dem Lande kaufen.«
Häuschen auf dem Lande, notiert Herr Pfennigfuchser, wie ich dem Namensschild auf seinem Schreibtisch entnehme. Dann fängt er an, auf einem Block mit dem Logo der Bank diverse Zahlenkolonnen zu addieren, die er im Laufe unseres Vorgesprächs aufgeschrieben hat. Dabei schüttelt Pfennigfuchser immer wieder verzweifelt den Kopf, als müsse er die Staatsverschuldung um fünfzig Prozent reduzieren und habe dafür nur Zeit bis 16.30 Uhr. Schließlich schaut er mir fest in die Augen. Dann schweift sein Blick ab und landet in meinem Dekollete. Dort klebt er ein paar Minuten fest, bis sich der Jungbanker zu einer Äußerung durchringt.
»Ich glaube, ihre Brüste reichen als Sicherheit für den Kredit nicht aus. Ich meine, sie sind okay, aber unter uns«, er schaut auf einen Zettel und sucht meinen Namen, »unter uns, Alice, Sie sind über dreißig. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Dinger anfangen zu hängen!«
Was bildet der sich ein, schießt es mir durch den Kopf. Dieser picklige Rechenschieber, der mit Sicherheit noch nie ein Mädchen geküsst hat, aber alle Internetadressen von Pornoseiten auswendig kennt, wagt es, über meinen Busen zu befinden. Doch ganz schnell werde ich innerlich kleinlaut. Er liegt im Grunde ja gar nicht so falsch. Zufrie den bin ich mit meiner Oberweite schon lange nicht mehr, und in ein paar Jahren werde ich wahrscheinlich abhän gig von Stütz-BHs sein. Ich setze meinen »Die Welt ist so böse und ich bin so klein«-Blick auf, der schon meinen ersten Freund regelmäßig dazu gebracht hat, aufzustehen und mir einen Joghurt zu holen, obwohl ich viel näher am Kühlschrank saß.
»Sie brauchen gar nicht so zu gucken!«, raunt mich der Eisklotz überheblich an. »Ich kann die Zahlen noch hundertmal durchrechnen. Ohne Sicherheit kein Kre dit.« Pfennigfuchser überlegt kurz. »Was macht denn Ihr Freund so?«, will er wissen.
»Ich ... ich habe keinen festen Freund«, entgegne ich zögerlich. Als der Banker provozierend eine Augenbraue hochzieht, füge ich schnell hinzu: »Aber so eine Internet- Bekanntschaft. Vielleicht entwickelt sich ja was daraus.«
Mein Gegenüber legt die Stirn in Falten und schüttelt in seiner gewohnten Art den Kopf. Im
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