Alice Baker: Mein Leben in der Aryan Brotherhood
können. Alles, was ich zu tun hätte, wäre mehr Schwarze zu töten, als irgendwer sonst. Es war wie damals bei den Raubüberfällen. Der Mordinstinkt hatte mich völlig im Griff. Ich lebte nur noch für diesen Augenblick. Und noch etwas veränderte sich. Ich fing an, mich in dieser Umgebung wohl zu fühlen. Ich war umgeben von älteren Typen, zu denen ich aufschaute. Das mag sich merkwürdig anhören, aber genau hier hatte ich eine neue Heimat gefunden.
Nach meinem Angriff auf die zwei DC Blacks brach in Folsom die Hölle los. Jeden Tag ging es zur Sache und an jedem Tag floss Blut.
Artie, einer der tonangebenden Anführer der Aryan Brotherhood, hatte auf dem Hof einen Schwarzenangegriffen, als die Bullen plötzlich das Feuer eröffneten. Bam! Ein Schuß traf Artie in die Hüfte und er ging zu Boden. Gleichzeitig hatte Cornfed einen anderen Schwarzen niedergestochen. Wir hatten eigentlich den Job, die Waffen unauffällig verschwinden zu lassen, aber jetzt tobte der Mob auf dem Hof. Die Wachen schossen Rauchbomben von den Türmen auf uns hinab, setzten ihre Elektroschocker ein und knüppelten uns nieder. Das Ganze war von einer Messerstecherei zu einem Aufstand geworden. Explosionen erschütterten den Boden und ihr Echo wiederholte sich tausendfach an den hohen Gefängnismauern. Überall um mich herum brachen Männer unter dem Einsatz von Tränengas zusammen, der Rauch nahm uns den Atem. Die Panik war groß und überall hörte ich Hilfeschreie und Männer, die darum flehten, dass man die Bombardierung einstellen solle. Aber das Gegenteil passierte. Die Sondereinheiten stürmten in voller Montur auf den Hof und knüppelten alles nieder was noch aufrecht stand. Danach folgte tagelanger Einschluss, rund um die Uhr.
Die Sache ist nur, wer sich mit der Bruderschaft anlegt, der muss einstecken können, selbst die Bullen mussten zahlen. Arties Verletzung machte Cornfed rasend. Als man während des großen Einschluss seine Zelle durchsuchte, schnitt er einem Wärter die Kehle durch. Der weiße Mob tobte und die Bullen reagierten. Die Aryan Brotherhood in Folsom wurde weggesperrt in den Hochsicherheitsbereich des Gefängnisses.
Das bedeutete für mich, dass eine Mitgliedschaft in der Bruderschaft erstmal bis auf weiteres vertagt war. Immerhin hatte ich auf meiner Etage mehr Freiheiten, als im Hochsicherheitstrakt. Also dachte ich noch mal über das Angebot der Low Riders nach.
NAZI LOW RIDER
Im Frühjahr 1987 war es dann soweit. Ich saß in meiner Zelle und kümmerte mich grade um meinen selbst gemachten Wein, den ich für meine Freunde vorbereitet hatte. Die anderen Rider kamen währenddessen vom Hof und ließen sich einschließen, damit die Cops mit der allabendlichen Zählung beginnen konnten. Durch den Krach der sich schließenden Zellentüren hörte ich Nazi-Steve rufen „Hey Cowboy! Halte mal deinen Spiegel raus!“ Damals war es uns noch erlaubt, kleine Handspiegel für die Körperhygiene zu besitzen. Ich hielt also meinen Spiegel nach draußen und konnte Steve in seiner Zelle sehen. Steve ahmte den Hitlergruß nach und rief dann „Siehst du das, Bruder? du bist jetzt einer von uns!“
Die Bruderschaft und die Low Riders hatten soeben auf dem Hof für meine Aufnahme gestimmt. Jetzt gab es kein Zurück mehr, ich war ein Low Rider. Und wissen sie was? Ich war stolz drauf, denn die Jungs waren in den letzten Jahren meine Freunde geworden, meine Brüder. Ich war 24 Jahre alt. Zu jung für den ganzen Scheiß, zu alt um umzukehren.
Ein paar Monate später ließ ich mir das Patch der Nazi Low Riders stechen. Ein fettes Hakenkreuz mit den Buchstaben NLR in der Mitte, direkt auf der Brust. Nicht, dass mir das Symbol des Dritten Reiches etwas bedeutet hätte. Es war viel mehr das Zeichen meiner Brüder, meiner Gang. Jeder, der es sah, wusste wer ich war und das man besser einen Bogen um mich machte. Ich trug es mit Stolz.
Wendell „Blue“ Norris (l.) mit Robert Lee „Blinky“ Griffin (r.) und dessen Freundin im Staatsgefängnis von Folsom in den früher 1980er Jahren. Beide sitzen damals eine Strafe wegen Raubüberfalls und Mordes ab.
Wendell „Blue“ Norris
Polizeifoto, das nach seiner Inhaftierung in den späten 1970er Jahren entstand. Während eines transportes zog er plötzlich eine .22-Kaliber Derringer und bedrohte damit die Wachen. Während seiner Flucht verbrachte er unter anderem Zeit mit Carl Johnson.
Officer Merle Clutts, der im Jahre 1983 von dem Gefangenen Thomas Silverstein ermordet wurde,
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