Alicia II
Politiker, sie hätten das Recht auf eigenes Land, und er und seine Gesinnungsgenossen paßten verdammt genau auf, daß die Ausgemusterten Land in der Mitte des Nirgendwo erhielten, wo sie leicht unter Kontrolle zu halten waren. Tatsächlich erwies sich die Maßnahme aber als Vorteil für beide Teile. Die Ausgemusterten können in ihren paar Jahren so etwas wie ein normales Leben führen, und die Obrigkeit kann sie leichter im Auge behalten als in den Städten, wo jeder, der Lust dazu hat, untertauchen und die Behörden zu kostspieligen Suchaktionen zwingen kann. Diese Arbeit lieben die Beamten gar nicht.«
»Ein gutes Projekt, finde ich. Trotzdem, so weit draußen und in so primitiver …«
»Es ist hier primitiv, weil sie es so haben wollen. Die Ausgemusterten meine ich. Sie haben allen möglichen Komfort angeboten bekommen und in vielen Fällen abgelehnt. Die Ethel-Leute neigen zu strenger Lebensführung. Aber Dummköpfe sind sie nicht, und deshalb sind einige Verbesserungen durchgeführt worden.«
Der Dorf-Kommissar berichtete Alicia über die Dorfprobleme. Es war nichts Besonderes, nur vereinzelte Vorfälle, die in die Wüste geschickte Bürokraten wie ihn ein bißchen nervös machten. Alicia antwortete lächelnd, sie werde sehen, was sich tun lasse.
Während wir durch die altmodischen, von Bäumen gesäumten Straßen schritten, entdeckte ich nichts, was auch nur von fern nach Problemen aussah. Die Menschen bewegten sich geschäftig, aber ohne Hast. Geräusche mischten sich musikalisch zu einem angenehmen Summen. Eine Menge Platz gab Bewegungsfreiheit. Hier hätte man beinahe vergessen können, wie mühsam es war, sich durch die Menschenmengen in der Stadt zu drängen. Wo die Stadt manchmal wie verdorbenes Fleisch stank, hatte das Dorf einen schwachen Geruch nach Blumen an sich. Ich erwähnte Alicia gegenüber den Blumenduft. »Kommt durch Rohrleitungen«, erklärte sie.
Sie machte vor einer Statue halt. Eine Plakette am Sockel verriet uns, daß dies schlecht ausgeführte, bizarre Machwerk St. Ethel darstellen sollte. Ich versuchte, in dem schiefen Gesicht, das der Bildhauer verbrochen hatte, etwas mehr als bloß Ehrfurcht zu entdecken. Die Hand der Statue war ausgestreckt, offenbar, um Hoffnung zu suggerieren, aber die Wirkung war eher so, als heische sie um Almosen. Seltsame Symbole waren an verschiedenen Stellen der Figur aufgemalt.
»Was hat das zu bedeuten?« Ich zeigte auf die Symbole.
»Das ist eins der kleinen Vergehen, über die der Kommissar sprach. Übrigens kommt es in Ausgemusterten-Kreisen häufig vor. Für ihn ist es eine Verschandelung, obwohl ich wirklich nicht weiß, warum, zum Teufel, es ihn kümmert, was mit einer St. Ethel-Statue passiert. In Wirklichkeit sind es Symbole für die Rebellion der Ausgemusterten, geschrieben in einer eigens kodierten Kalligraphie.«
»Was sagen sie aus?«
»Oh, es sind kurze Gebete, Hinweise auf die kommende Zeit, wenn Körper nicht länger der Gier der Menschheit geopfert werden.«
»Gier? Warum nennst du es Gier?«
»Ist es denn keine Gier? Gier nach weiteren Jahren, die dem Menschen schneller durch die Finger rieseln als Geld.«
»Du sympathisierst tatsächlich mit diesen Radikalen, stimmt’s?«
»Ich vertraue dir nicht genug, um diese Frage zu beantworten, Voss.«
»Ich dachte, du zögest in Erwägung, mich zu lieben.«
»Liebe ist nicht dasselbe wie Vertrauen. Gefühle sind keine Glieder in einer Kette. Jesus und Ethel, jetzt hast du mich dazu gebracht, Volksweisheit zu zitieren, Maximen der Ausgemusterten. Ich bin sicher, ich liebe dich nicht.«
»Das ist wahrscheinlich auch besser.«
Es paßte ihr nicht, daß ich das sagte, und sie funkelte mich
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