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Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
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Au­gen­blick tot um­fal­len, tauch­te auf. Er blieb an der Tür ste­hen und frag­te sich of­fen­bar, ob es schick­lich sei, daß er ge­ra­de jetzt her­ein­kom­me. Ro­sa­lie stand auf und ging ihm ent­ge­gen. Ih­re Stim­me klang, als sie ihn an­sprach, ganz an­ders als vor­hin bei mir. Wei­cher im Ton, wär­mer in der Mo­du­la­ti­on. Es dau­er­te einen Au­gen­blick, bis ich er­kann­te, was es war. Mit­leid.
    »Hal­lo, Mar­tin, wie schön, dich wie­der­zu­se­hen, Sohn. Willst du mit mir be­ten?«
    Mar­tin nick­te, und Ro­sa­lie ging zum Eckal­tar. Die Schul­tern des Man­nes zuck­ten. Er wein­te. Ro­sa­lie um­arm­te ihn, flüs­ter­te ihm et­was zu, küß­te ihn auf die Stirn. All­mäh­lich be­ru­hig­te sie ihn, und sie wand­ten sich zu­sam­men dem Al­tar zu. Ro­sa­lie be­rühr­te et­was mit dem Fuß, und ein wei­ches Licht schuf ei­ne Art Au­ra um die St. Ethel-Sta­tue. Ich konn­te nicht ver­ste­hen, was sie und der Neu­an­kömm­ling flüs­ter­ten, aber es muß­te sich um ein Ge­bet han­deln. Als sie sich wie­der um­dreh­ten, sah das Ge­sicht des jun­gen Man­nes fried­lich aus, und er ver­ließ die Kir­che ziem­lich for­schen Schrit­tes. Was Ro­sa­lie auch ge­tan ha­ben moch­te, es hat­te ge­wirkt. Sie sah ihm nach. Ih­re Au­gen schim­mer­ten, auch sie hat­te ge­weint. Jetzt hat­ten ih­re Au­gen einen mehr bläu­li­chen Ton, als ha­be die Ver­fär­bung einen Teil der re­li­gi­ösen Ze­re­mo­nie ge­bil­det. Der Adel der Re­li­gio­si­tät, ob echt oder nicht, mach­te sie an­zie­hen­der. So­gar die za­cki­ge Nar­be auf ih­rer Wan­ge, die sich ge­gen die ge­sun­de Rö­te ih­rer Haut stär­ker ab­hob, schi­en ei­ne tiefe­re Be­deu­tung an­zu­neh­men.
    »Ei­ne See­le ge­ret­tet?« frag­te ich, als sie zu uns zu­rück­kehr­te.
    Ali­cia sah mich bö­se an, är­ger­lich über mei­ne Leicht­fer­tig­keit.
    Doch Ro­sa­lie blieb ru­hig.
    »Das kön­nen Sie ge­trost sa­gen«, er­klär­te sie und setz­te sich wie­der. »Mar­tins Tag für die Er­neue­rungs­kam­mer ist ge­kom­men. Er muß sich mor­gen zum Ab­trans­port mel­den. Er brauch­te geist­li­che Hil­fe, um den Mut da­zu zu fin­den.«
    »Dann ha­ben Sie ihm ge­ra­ten, sich zu stel­len?«
    »Ja, na­tür­lich.«
    »Warum ha­ben Sie ihm nicht ge­ra­ten da­von­zu­lau­fen? Schließ­lich tun das vie­le.«
    »Das ist wahr, aber es wä­re nicht das Rich­ti­ge für ihn. Wer sich der Bot­schaft St. Ethels ver­schrie­ben, wer sich ent­schlos­sen hat, ihr sein Le­ben zu op­fern, muß die Rei­se ins Bein­haus an­tre­ten.«
    »Selbst wenn er wie die­ser jun­ge Mann vor Angst fast ver­geht?«
    »Hei­lig­keit schließt Feig­heit nicht aus. St. Ethel ge­stand ih­re Furcht ein, be­vor sie sich vor dem Bein­haus an­stell­te.«
    »Er ist al­so zu Ih­nen ge­kom­men, um sei­ne Feig­heit be­han­deln zu las­sen.«
    »Es ist nor­mal, am Abend vor der Hin­rich­tung den Trost ei­nes Pries­ters zu su­chen. Der Mensch braucht dann die Ver­si­che­rung, daß sei­ne See­le er­hal­ten bleibt, wenn sein Kör­per ver­nich­tet wird.«
    »Und das glau­ben Sie? Sie glau­ben, daß die See­le über­lebt, wenn der Kör­per wie­der­ver­wer­tet wird?«
    Ro­sa­lie lä­chel­te. Es war ihr pries­ter­li­ches Lä­cheln.
    »Sie ver­ste­hen die Prin­zi­pi­en un­se­rer Re­li­gi­on bes­ser als die meis­ten von uns.«
    »Sie sind mir … äh … ein­mal er­läu­tert wor­den.«
    »Sehr gut. Nun zu Ih­rer Fra­ge: Nein, ich bin nicht im­mer über­zeugt da­von, daß die See­le das Bein­haus, die Wie­der­ver­wer­tung und schließ­lich den Tod des Kör­pers über­lebt. Das ist Teil der Leh­re St. Ethels, aber ich bin nicht im­mer über­zeugt da­von, daß sie wirk­lich ei­ne Hei­li­ge war. Trotz­dem scheint der Kampf um mei­nen Glau­ben es der Mü­he wert zu sein, daß ich ihm mein kur­z­es Le­ben wid­me. Schließ­lich ist es das, was die Pries­ter im­mer für die Leu­te ge­tan ha­ben – sie ha­ben um ih­ren Glau­ben ge­kämpft, da­mit die an­de­ren die Frei­heit ha­ben, den Glau­ben zu igno­rie­ren.«
    »Ro­sa­lie«, fiel Ali­cia ein, »die­se Dis­kus­si­on ist ja sehr in­ter­essant, aber wir ha­ben …«
    »Dar­auf kom­men wir noch, mei­ne Lie­be. Ich muß über Ih­ren Freund

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