Alicia II
vielleicht nur als Weg zu dir.«
»Wenn das stimmt, dann ist es ein gefährlicher Weg.«
»So? Erkläre mir das genauer.«
»Hör auf damit, Alicia.«
»Jesus Christus, bist du empfindlich! Aber komm.«
»Wohin?«
»Du wirst mich heute zum Außendienst begleiten. Ich muß eine St. Ethel-Siedlung besuchen. St. Ethel-Camp wird sie zuweilen genannt. Das ist mal eine Abwechslung für dich. Vielleicht bekehrst du dich.«
»Ist es weit von hier?«
»Auf der anderen Seite des Flusses. In New Jersey, wie wir die Gegend trotz aller vorgeschriebenen anderen Namen immer noch nennen. Erinnerst du dich an New Jersey? Es wurde in einem Krieg oder einer Revolution oder so etwas ziemlich zerstört. Jedenfalls werden wir in einem Boot über den Drecksfluß setzen und für den übrigen Weg einen Schlammschlitten nehmen.«
»Einen Schlammschlitten? Was ist ein Schlammschlitten?«
»Genau das, was du dir darunter vorstellst. Auf der anderen Seite des Flusses ist alles ein wenig primitiver als hier. Das Gras ist bestimmt nicht grüner, weil es dort kein Gras gibt. Du wirst schon sehen.«
15
Alicia hatte die primitiven Zustände nicht übertrieben. Teile des Staates hatten sich in Sumpf verwandelt – die Folge davon, wie Alicia erklärte, daß das Land während der gefährlichen radioaktiven Periode so lange unbewohnt gewesen war. Ich erinnerte mich undeutlich, daß ich in meiner Jugend eine Weile in New York City gelebt hatte und daß über der Stadt ein Energie-Schutzschirm errichtet worden war. Ich wußte nicht mehr, wann die Luftzusammensetzung sich so weit verbessert hatte, daß auf die Kuppel verzichtet werden konnte.
In dem Schlammschlitten waren keine Kissen. Er hatte zwar Seitenfenster, aber sie erwiesen sich als unzureichender Schutz vor Schlammspritzern. Ein Glück, daß ich einen alten Anzug anhatte. Später entdeckte ich Tausende von kleinen braunen Flecken auf dem dunklen Stoff. Aber wenn es dem Schlammschlitten auch an Schönheit gebrach, so verfügte er doch über Kraft und pflügte sich durch die häufig vorkommenden Stellen von düsterem, sumpfartigem Boden, wie seine winterlichen Gegenstücke über Schnee gleiten. Und das mit beträchtlicher Geschwindigkeit.
In einigen der zerstörten Gebiete sah ich die Überreste alter Häuser und ein Zeichen oder zwei aus dem Schlamm herausragen. Ich fragte Alicia nach der allgemeinen Beschaffenheit des Bodens. Sie meinte, es sei einmal gutes Land gewesen, und sie wisse nicht, weshalb es sich in einen solchen Morast verwandelt habe. Das Tafelland war aus irgendeinem Grund überflutet worden. Nun war es schon viele Jahre lang in diesem Zustand.
Das St. Ethel-Dorf selbst war eine Überraschung. Es stand, umgeben von einem gigantischen Sumpf, auf trockenem Boden. Alicia erzählte mir, das Land sei saniert worden. Große Maschinen, Drainage-Ausrüstungen waren herangeschafft worden und hatten den Schlamm weggeräumt. Aus der Ferne gesehen wirkte das Dorf festungsähnlich – etwa wie eine alte Western-Stadt, wenn auch solider gebaut und farbiger. Es erstreckte sich über eine ziemlich große Fläche. Kein Gebäude schien mehr als drei Stockwerke hoch zu sein, was in diesem Zeitalter, wo sogar kleine Städte mit Wolkenkratzern vollgestopft sind, angenehm berührte. In dem Schlamm vor uns bildete sich allmählich eine Straße, und wir fanden uns auf härterem Terrain wieder.
»Ich sehe den Grund für dies Dorf oder Camp, wie du es nanntest, nicht recht ein«, sagte ich zu Alicia.
»Es wird beides genannt. Das ist einfach ein Ort, wo Ausgemusterte zusammenleben können und es besser haben als in den häßlichen Vierteln, die ihnen in den meisten Städten zugewiesen werden. Vor langer Zeit entschied irgendein
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