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Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
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In­ter­es­se dar­an, mir die Se­hens­wür­dig­kei­ten zu zei­gen. Ei­ni­ge Zeit wan­der­ten wir schwei­gend durch ver­schie­de­ne Stra­ßen. Die Leu­te, die uns be­geg­ne­ten, schie­nen mei­nen Be­schüt­zer gut zu ken­nen. Sie wi­chen ihm in großem Bo­gen aus, und manch­mal gin­gen sie auf die an­de­re Stra­ßen­sei­te, wenn sie ihn kom­men sa­hen. Ihr Ver­hal­ten kam mir merk­wür­dig vor, da Stan in sei­nem Äu­ße­ren nichts Be­droh­li­ches an sich hat­te und auch nicht be­son­ders mus­ku­lös war. In sei­nem Ge­sicht lag nur ge­ra­de so­viel Ge­mein­heit, daß die Leu­te ihm gern aus dem Weg gin­gen. Schließ­lich hiel­ten wir vor ei­nem bau­fäl­li­gen Ge­bäu­de an, über des­sen Fassa­de ein rie­si­ges Kreuz in al­len Re­gen­bo­gen­far­ben ge­malt war.
    »Hier rein«, sag­te Stan.
    »Das ist die Kir­che, neh­me ich an.«
    »Rich­tig.«
    Er woll­te mich an der Schul­ter hin­ein­schie­ben, doch ich stemm­te mich ge­gen den Druck. Als wir das Ge­bäu­de be­tra­ten, be­rühr­te Stan mit ei­ner Ges­te, die wie ein Ri­tu­al wirk­te, eins der kreis­run­den Fens­ter aus imi­tier­tem far­bi­gem Glas, die sich in der Mit­te der bei­den Türflü­gel be­fan­den.
     

 
16
     
    Das In­ne­re der Kir­che war ein großer, nack­ter Raum. Ein paar Stüh­le stan­den aufs Ge­ra­te­wohl her­um, und nicht vie­le da­von wa­ren nach dem großen St. Ethel-Al­tar in der einen Ecke aus­ge­rich­tet. Das Haupt­stück des Al­tars, die Sta­tue der ver­ehr­ten Hei­li­gen, war in kei­nem bes­se­ren Zu­stand als die, die wir auf dem Markt­platz ge­se­hen hat­ten, und ein grö­ße­res Kunst­werk war sie auch nicht. Die ein­zi­gen Fens­ter be­fan­den sich hoch oben an der Wand, und an­sons­ten gab es nicht viel an De­ko­ra­ti­on. Wo im­mer sich ein Bild oder der­glei­chen ver­mu­ten ließ, er­wies es sich bei nä­he­rer Be­trach­tung als durch Schat­ten her­vor­ge­ru­fe­ne op­ti­sche Täu­schung. Ali­cia und Ro­sa­lie tra­ten durch ei­ne ge­schickt ver­bor­ge­ne Tür ne­ben dem Al­tar ein.
    »Ali­cia hat mir er­zählt, wer Sie sind, Ge­ragh­ty«, sag­te Ro­sa­lie. »Wenn ich ge­wußt hät­te, daß Sie zwei von un­sern At­ten­tä­ter-Kom­man­dos ver­krüp­pelt ha­ben, wä­ren wir vor­hin in der Gas­se viel­leicht nicht so sanft mit Ih­nen um­ge­gan­gen.«
    Es ver­stärk­te mein Un­be­ha­gen, daß ich mich be­mü­hen muß­te, Stans haß­er­füll­ten Blick zu igno­rie­ren. Ro­sa­lie fuhr fort: »Aber, St. Ethel und Chris­tus! Ich kann es Ih­nen nicht zum Vor­wurf ma­chen, daß Sie sich ver­tei­digt ha­ben, auch wenn wir es uns nicht leis­ten kön­nen, Tri­os gu­ter Män­ner auf die­se Wei­se zu ver­lie­ren. Ali­cia hat mich über­zeugt, daß Sie even­tu­ell ge­ret­tet wer­den könn­ten. Ich ha­be ein paar Bot­schaf­ten aus­ge­sandt.«
    Ro­sa­lie er­griff einen Falt­stuhl, schleu­der­te ihn un­ter ih­ren Kör­per, als sei es ihr gleich­gül­tig, ob er rich­tig pla­ciert wur­de, und setz­te sich ne­ben mich. Ali­cia schob einen Ses­sel über den Fuß­bo­den und setz­te sich uns ge­gen­über. Stan wan­der­te un­auf­hör­lich um mich her­um. Ich fühl­te mich ein­ge­kreist.
    »Mein Freund …« – Ro­sa­lie beug­te sich vor, und ih­re Au­gen schim­mer­ten jetzt in ei­nem tie­fen Vio­lett – »… wie ich hö­re, sind Sie so zäh, daß Sie Stei­ne schei­ßen.«
    »Äh … se­hen Sie …« sag­te ich.
    »Wie ich hö­re, sind Sie so zäh, daß Sie Glass­plit­ter durch einen Stroh­halm trin­ken.«
    »Wor­auf wol­len Sie …«
    »Wie ich hö­re, sind Sie so zäh, daß Sie …«
    »Okay, okay, aber so zäh bin ich wie­der nicht, daß ich mich bei ei­nem Ri­tu­al die­ser Art nicht er­bre­chen muß.«
    Ro­sa­lie lach­te.
    »Rich­tig«, sag­te sie, »das war nur ein Test.«
    »Ich kann es nicht lei­den, wenn …«
    »Se­hen Sie, Ge­ragh­ty, ich bin über­zeugt, so­bald ich Sie bes­ser ken­ne, wer­de ich Sie eben­so be­lei­di­gend fin­den wie Sie mich. Aber im Au­gen­blick möch­te ich nur mit Ih­nen re­den.«
    Sie wur­de un­ter­bro­chen, weil die Haupt­tür sich öff­ne­te. Ein schä­big ge­klei­de­ter jun­ger Mann, der aus­sah, als lei­de er an ei­ner töd­li­chen Krank­heit und kön­ne je­den

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