Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
Vom Netzwerk:
ab­zu­leh­nen. So­wohl Ali­cia als auch Pi­er­re igno­rier­ten mein Wi­der­stre­ben. Wir al­le spran­gen auf einen kos­ten­lo­sen Elek­tro-Bus, der in die­sem Vier­tel die Run­de mach­te. Der Bus, ei­ne et­was klei­ne­re Ko­pie der al­ten Lon­do­ner Dop­pel­de­cker, war grau­en­haft über­füllt. Das war im­mer so, weil laut Ge­setz des Abends auf den Stra­ßen be­stimm­ter Dis­trik­te nur Bus­se ver­keh­ren durf­ten. Das his­to­ri­sche Aus­se­hen des Fahr­zeugs in­spi­rier­te Pi­er­re da­zu, Ali­cia sei­ne Mei­nung dar­über auf­zu­ti­schen, daß al­le Din­ge un­ge­ach­tet neu­er Ent­wick­lun­gen die glei­chen blie­ben. Er be­nutz­te teil­wei­se ge­nau die­sel­ben Phra­sen wie bei un­se­rer Mahl­zeit mir ge­gen­über, und das über­zeug­te mich noch mehr, daß vie­le sei­ner Ide­en aus­wen­dig ge­lern­te Vor­trä­ge wa­ren.
    Wir stie­gen vor ei­nem py­ra­mi­den­för­mi­gen Ge­bäu­de mit brei­ter Ba­sis aus. Die Kan­ten tru­gen wel­len­för­mi­ge Ver­zie­run­gen bis oben hin. An der Spit­ze vie­ler die­ser Wel­len war ein Fens­ter.
    »Was für ein Bau­stil ist das?« frag­te ich.
    »Kom­mer­zi­el­ler Alp­traum«, ant­wor­te­te Pi­er­re.
    »Ma­chen Sie Wit­ze?«
    »Nein. Nein, ganz und gar nicht. Kom­mer­zi­el­ler Alp­traum ist ein Stil der Ge­gen­wart, ob­wohl ihm die­ser Na­me nicht von sei­nen Schöp­fern ge­ge­ben wur­de. Sei­ne kur­ze Blü­te­zeit liegt – oh – ein paar Jahr­zehn­te zu­rück.«
    »Es ist ein scheuß­li­cher Stil.«
    »Wenn Sie dies Ge­bäu­de scheuß­lich fin­den, soll­ten Sie erst die Ma­ni­fes­ta­tio­nen des Stils in den an­de­ren Küns­ten se­hen.«
    Wir wür­den, so er­klär­te Pi­er­re, das Ame­ri­ka auf­su­chen, einen Club auf dem Dach des Alp­traum­ge­bäu­des. Wir gin­gen durch Tü­ren, de­ren Rah­men eben­falls Wel­len­form hat­ten, und ka­men in ein kon­ven­tio­nel­les Foy­er, das von ei­nem enor­men ho­lo­gra­phi­schen Wand­bild, ei­ne Sze­ne der frü­hen ame­ri­ka­ni­schen Ge­schich­te dar­stel­lend, be­herrscht wur­de.
    Aufs Dach wur­den wir von ei­nem Lift in­ner­halb ei­ner Glas­röh­re be­för­dert, die sich im Mit­tel­punkt des Foy­ers er­hob.
    Wäh­rend des lang­sa­men Auf­stiegs for­der­te uns ei­ne Stim­me aus ei­nem Laut­spre­cher auf, die Fi­gu­ren auf den Au­ßen­sei­ten der Bal­kons zu be­wun­dern, die uns in je­dem Stock­werk um­ga­ben. Sie wa­ren, so in­for­mier­te uns die Stim­me, die letz­ten Über­bleib­sel die­ser De­ko­ra­tio­nen aus frü­he­ren Pe­ri­oden der New Yor­ker Ar­chi­tek­tur und wür­den hier er­hal­ten, nach­dem man sie von Müll­hal­den und aus zu­sam­men­bre­chen­den Ge­bäu­den ge­ret­tet ha­be. Es war ei­ne in­ter­essan­te Samm­lung.
    Häß­li­che, bü­cher­le­sen­de Mön­che, flucht­be­rei­te Was­ser­spei­er, Mas­ken, die aus­sa­hen, als ob sie gleich zu spre­chen be­gin­nen wür­den. Ali­cia mein­te, ei­ne Fi­gur, ein dra­chen­ähn­li­ches Un­ge­heu­er, das auf den Auf­zug zu­zu­sprin­gen schi­en, las­se ihr kal­te Schau­er das Rück­grat hin­auf und hin­un­ter rie­seln. Mich fas­zi­nier­te der Za­cken­kamm, der über Kopf und Kör­per lief.
    Pi­er­re hat­te na­tür­lich ei­ne ei­ge­ne Mei­nung über die Ge­schich­te ar­chi­tek­to­ni­scher Hö­he­punk­te, aber ich hör­te ihm nicht zu und er­in­ne­re mich nicht ein­mal mehr, ob er sich bil­li­gend oder miß­bil­li­gend aus­sprach.
    Der Auf­zug hielt vor dem Ame­ri­ka. Ein Neon­zei­chen, ein­ge­schal­tet durch das Hal­ten des Lifts, be­gann zu fla­ckern.
    Die Laut­spre­cher­stim­me lud uns ein, un­se­re Ge­dan­ken zu­rück auf die bei­na­he drei­hun­dert Jah­re al­te Ge­schich­te der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka zu rich­ten, auf die Idea­le und die Schön­heit, die ver­lo­ren­ge­gan­gen sei­en, als das Land zwecks Bil­dung ei­ner Welt­re­gie­rung auf­ge­löst wur­de. Kurz zu­sam­men­ge­faßt trug die Stim­me all die Kla­ge­ge­sän­ge über das Op­fer vor, das ei­ne große Na­ti­on zum Woh­le der grö­ße­ren Ge­mein­schaft ge­bracht ha­be. Das hat­te ich seit mei­ner Kin­der­zeit, als das Er­eig­nis statt­fand, im­mer wie­der

Weitere Kostenlose Bücher