Alicia II
fünfzehn Jahren wurde in einem Regierungsbüro eingebrochen, in dem sich amtliche Unterlagen über die Erneuerungen befanden. Unter den gestohlenen Dokumenten waren Akten, die komplette Fallstudien nicht nur über die berühmte Original-Gruppe enthielten, sondern auch über alle Pioniere, die ihnen in den ersten Jahrzehnten des Projekts folgten. Seit jener Zeit haben Killer-Kommandos systematisch daran gearbeitet, jene Erneuerten, deren Unterlagen in den alten Akten waren, zu finden und endgültig zu eliminieren. Ich bin informiert worden, daß jeder einzelne aus der ursprünglichen Gruppe von ihnen aufgespürt und erledigt worden ist. Die Attentate scheinen von Spezialisten ausgeführt zu werden, von Killern, die innerhalb der Aufrührer eine Elite-Brigade darstellen, von der creme de la creme der Mörder. Ihre Methoden weichen von denen normaler Killer-Teams ab. Sie sind sehr viel gemeiner und außerordentlich raffiniert. Das müssen sie sein, weil das Ziel ist, dem Opfer jede Chance auf eine weitere Erneuerung zu nehmen. Das letzte, was ich hörte, war, daß sie mit der Liste durch sind, die sie in den frühen Akten fanden – das heißt mit allen aus der ursprünglichen Gruppe und denen, die ihnen unmittelbar folgten – und daß sie sich jetzt die Zweitälteste Akte vorgenommen haben. Meine Unterlagen, lieber Junge, sind in der Zweitältesten Akte.«
»Und Sie glauben, bald werden sie hinter Ihnen her sein?« fragte ich.
»Ich glaube, daß sie mich vielleicht schon belauern.«
Der morbide Unterton in Pierres Erklärungen wurde mir langsam verständlich. Seine Angst, er werde keine weitere Lebensspanne mehr bekommen, basierte auf seiner Angst vor den Elite-Killern. Wie die alte Redensart lautet, sie hatten sei ne Nummer. Übrigens hatten sie alle seine Nummern – Fingerabdrücke und Identifikation. Selbst auf unserer übervölkerten Welt gab es wahrscheinlich nur wenige Orte, wo sich jemand vor so fanatischen Verfolgern verstecken konnte.
Außerdem war Pierre seines Äußeren wegen unverkennbar.
Schließlich liefen heutzutage nicht mehr viele Männer mit Kugelbäuchen und Spindelbeinen herum. Die Jahrzehnte seiner dritten Lebensspanne, in denen er nichts getan hatte, als seinen Schwächen nachzugeben, hatten ihn zu einem auffälligen Ziel gemacht.
Nach Melone mit Sorbet, einem Salat und dem Tischwein kam das Hauptgericht, Orangenrindfleisch. Mir schmeckte die Verschmelzung des flüchtigen Aromas der Orangenschalen mit den zarten Fleischstücken. Pierre beugte sich erst lange Zeit über seinen Teller und sog den Duft ein. Er entschuldigte sich, daß er eine Note der Niedergeschlagenheit ins Gespräch gebracht habe, die er auf einen späteren Zeitpunkt hätte verschieben sollen.
Anschließend gab es Champagner, und das Dessert erwies sich als die mexikanische Spezialität cajeta, eine puddingähnliche Süßspeise von exquisitem Geschmack.
»Wahrscheinlich ist es verboten, Küchen so radikal zu mischen, aber ich schwärme für cajeta«, sagte Pierre.
»Erinnert mich ein bißchen an Butterscotch. Köstlich. Wenn diese schlechten Menschen, die mich ermorden wollen, Erfolg haben sollten, werde ich am meisten bedauern, daß ich nicht alles Essen verzehren konnte, das ich während meiner letzten Lebensspanne mit so vieler Mühe habe konservieren und lagern lassen. Vielleicht könnte ich Ihnen diese zukünftigen Mahlzeiten testamentarisch hinterlassen.«
»Schütteln Sie diese düstere Stimmung ab, Pierre. Sie können sich ja in all dem irren, können falsch informiert worden sein.«
»Oh, wie gern
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