Alicia II
Stellen das Risiko besonders hoch sei, welche Gänge die besten Gelegenheiten zur Flucht boten, welche Schwächen des Personals wir zu unserm Vorteil ausnützen könnten und so weiter. Nach und nach lernte ich, wie verschiedene Geräte und Systeme funktionierten, um die ich mich bei der Mission überhaupt nicht zu kümmern brauchte – nur für den Fall, daß sich eine Situation ergab, in der mir dies Wissen nützlich sein mochte. Mir wurden Geschichte, philosophische Folgerungen und eine Auswahl einschlägiger Literatur eingeflößt, was alles auf merkwürdige Weise mit dem allgemeinen Ziel zusammenhing. In einer Sitzung lernte ich alles über einen bestimmten Abschnitt, und in der nächsten kam ein anderer dran. Schließlich war ich überzeugt, daß nichts mehr fehlte, was es für die Mission zu lernen gab. Bei anderen Sitzungen erhielt ich alle bekannten Informationen über den Ablauf des Erneuerungsprozesses, über die psychologischen Kniffe der Sicherheitsbeamten und über die Speisepläne eines ganzen Monats der drei Cafeterias, die sich an strategischen Punkten in der Erneuerungskammer befanden.
Ich fragte Ben, warum er Dinge wie die Speisepläne einprogrammiert habe. Er sagte, all das gehöre zu der Verkleidung, in der Stacy und ich durch die Gänge der Kammer gehen würden. Irgendwer könne eine Bemerkung über das Essen des Tages machen. Es war wichtig, daß wir wußten, was es gegeben hatte, um eine unschuldig klingende Antwort parat zu haben.
Es war nicht überraschend, daß ich bald das Gefühl hatte, über die Washingtoner Erneuerungskammer, ihre Umgebung, den Erneuerungsprozeß und alle Facetten der Mission viel mehr zu wissen, als notwendig war. Als ich mich in diesem Sinn Ben gegenüber äußerte, meinte er: »Sei nicht allzu zuversichtlich, Sportsfreund. Informationen sind nicht mehr als eben Informationen. Die Mission mußt immer noch du ausführen. Der menschliche Faktor kann den ganzen Plan zum Scheitern bringen, das ist eine alte Erfahrung.«
»Ich weiß, ich weiß. Ich beklage mich ja nur, weil es mir zu langsam dauert, weil ich es gern hinter mich bringen möchte. Und von dem Absorber habe ich genug. Ich möchte nicht gern noch einmal unter den Helm.«
»Das geht jedem nach einer Weile so. Die Anhäufung von Wissen, ganz gleich, welcher Art, hat eine drogenähnliche Wirkung. Zuerst ist das aufregend, und man möchte noch mehr und noch mehr. Dann fängt es an, einen zu bedrücken. Man möchte damit bald zu Ende kommen oder die Sache abbrechen. Ich selbst muß regelmäßig Urlaub vom Absorber nehmen.«
»Noch etwas, wo ich schon einmal dabei bin, mich zu beschweren: Ich habe festgestellt, daß sich in die Daten einiges an Propaganda über die Sache der Ausgemusterten eingeschlichen hat. Das gefällt mir nicht.«
»Wie kommt das?«
»Ach, Ben, du weißt, wie das kommt. Ich will nicht konditioniert werden, verdammt noch mal. Ich habe die Mission übernommen, dabei wollen wir es lassen. Zwing mich nicht zu dem Glauben, daß das, was ich tun muß, irgendwie gerechtfertigt sei. Wenigstens möchte ich nicht, daß mir dieser Glaube einprogrammiert wird. Wenn ich schon diesen oder jenen Glauben erwerben soll, möchte ich es selbst tun.«
Ben legte die Finger gegeneinander und murmelte: »Interessant.«
»Was ist daran interessant?«
»Ich habe dir gesagt, der Absorber würde dir Wissen vermitteln, und das war die Wahrheit. Ich steuerte das Material über Geschichte und Philosophie der Sache bei, um dir die Mission in der richtigen Perspektive zu zeigen. Meine Absicht war nicht, dich hinterlistig mit Propaganda zu berieseln. Interessant daran ist nun, daß dein Widerstand dagegen so stark ist. Deshalb siehst
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