Alicia II
müsse erfahren, was an diesen dunklen Stellen ist. Man macht sich Sorgen, daß man irgendwie unvollständig ist, wenn man es nicht herausfindet.«
»Hmmm. Wie die Büchse der Pandora oder Blaubarts verschlossene Tür.«
»Genau. Glücklich macht mich nur, daß der ganze Wissenskomplex nach der Mission gelöscht werden kann.«
»Das klingt grauenerregend.«
»So schlimm ist es nicht. Der Absorber schaltet nur einen Mechanismus im Gehirn ein, der sämtliche Impulse löscht. Ich würde verrückt, wenn ich auf Jahrzehnte hinaus solche trivialen Einzelheiten im Gedächtnis behalten müßte. Es regt mich schon auf, daß sie jetzt so ungeheuer wichtig sind. Ich werde ungeduldig – ich wünsche mir, es ginge endlich los, ich kann abends nicht einschlafen, ohne stundenlang darüber nachgedacht zu haben.«
»Von nun an kannst du ruhig schlafen. Nach dem, was ich gehört habe, wird die Einladung zur Besichtigung des Beinhauses in den nächsten Tagen eintreffen.«
»Gut. Ich bin froh, daß die Wartezeit vorbei ist.«
»Nicht zu früh.«
»Warum sagst du das?«
»Triplett ist entflohen. Ich fürchte, er wird versuchen, dich zu erwischen.«
»Ist das ein Trost! Aber ich bin früher schon mit ihm fertig geworden, richtig?«
»Tu es nicht so leicht ab, Voss. Er ist wirklich gefährlich.«
»Ich werde vorsichtig sein. Gott, was ist mit diesem Nieselregen? Ich dachte, die Wetterkontrolle hätte diese Art von Niederschlag abgeschafft.«
»Die Wetterkontroll-Leute streiken noch. Zwei Stunden pro Tag. Immer die zwei Stunden, in denen sie Lust darauf haben.«
»Und die Polizei ist auch noch nicht wieder im Einsatz?«
»Zeitweise.«
»Ist dir immer noch nach Tanzen zumute?«
»Nicht sehr.«
»Was möchtest du sonst gern tun?«
»Nun, es gibt da ein Ballett …«
»Nein.«
»Dann nichts.«
»Vielleicht könnten wir …«
»Ich liebe dich, Voss.«
»Ich liebe dich auch.«
»Irgendwie habe ich das Gefühl, wir können uns nicht verständigen. Versuchen wir, schweigend durch den Nieselregen zu wandern. Und du hältst den Mund.«
4
Washington hatte, obwohl es nicht mehr Hauptstadt einer Nation war, viel von seiner früheren Majestät als Zentrum der Archive und der Kultur bewahrt. Vor einem Jahrhundert hatte eine Vereinigung für die Erhaltung historischer Stätten dafür gestimmt, die frühere Kapitale zu restaurieren, und daraufhin wurde die verfallene Stadt wieder aufgebaut und in ein lebendes Museum verwandelt. Die einzelnen Stadtviertel repräsentierten verschiedene historische Epochen. Die Stadtmitte, wo Stacy und ich in einem ziemlich häßlichen Hotel untergebracht waren, zeigte im wesentlichen das 20. Jahrhundert.
Schauspieler stellten Gestalten der Regierung dar. Es gab einen Präsidenten, einen Vizepräsidenten, einen ganzen Obersten Gerichtshof, der wichtige Prozesse der Vergangenheit aufführte. Der Kongreß war nicht einmal zur Hälfte besetzt, weil – so erzählte mir einer der Schauspieler – normalerweise nur etwa die Hälfte der Senatoren und Abgeordneten an einer beliebigen Sitzung teilnahmen.
Da eine unerwartete bürokratische Schwierigkeit Stacy und mich zwang, vier Tage lang auf die Besichtigung zu warten, begann ich, die historischen Stadtviertel in der Nachbarschaft zu erforschen. Stacy blieb im Hotel. Er war fasziniert von dem sorgsam konservierten künstlichen Luxus des 20. Jahrhunderts.
Aus irgendeinem Grund liebte er schlechtes Fernsehen und Eismaschinen. Mir dagegen gefiel die koloniale Periode, und ich verbrachte viel Zeit damit, durch die nachgebauten Straßen zu wandern. Die roten Ziegelsteine und weißen Einfassungen, die zu Figuren geschnittenen Bäume, die in
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