Alicia II
vorbei und berichtete, er habe alles arrangiert und später würde ich in das geheime Krankenhaus gebracht werden, wo die Operationen zum frühesten ungefährlichen Zeitpunkt stattfinden sollten.
Ich fragte ihn wegen der Wohnung. Er erzählte, vor Jahren habe sie einem zu Geld gekommenen Tellerwäscher gehört.
Irgendwer mit Interesse für die Erhaltung historischer Denkmäler habe gesehen, daß sie noch gut instand war, selbst als das Gebiet als nicht mehr sanierungsfähig erklärt und das Haus verlassen worden war. Ben verließ uns mit der Bemerkung, es seien viele Vorbereitungen zu treffen und er werde wiederkommen, wenn alles fertig sei. Er gab mir zwölf Dutzend Instruktionen darüber, daß ich nicht essen und nicht trinken dürfe, und meinte, er sei gespannt darauf, wie ich mit rasiertem Kopf aussehen würde. Lachend ging er aus der Tür.
Ich wunderte mich über mich selbst, daß ich ihn nicht haßte.
Nach seinem Weggang wanderte Alicia lange Zeit in der Wohnung herum, betrachtete die Artefakte und machte blöde Bemerkungen über ihren historischen Wert.
»Kann ich dir irgend etwas zurechtmachen?« fragte sie, an meinem Sessel vorübergehend.
»Was?«
»Etwas zu essen, ich weiß nicht.«
»Ich darf nichts essen. Ben hat es mir verboten.«
»Ach ja, richtig.«
»Bist du meinetwegen, wegen der Operationen nervös?«
»Sollte ich das nicht sein?«
»Nein.«
Mitten auf einem Beistelltischchen stand ein Plastikbecher mit fünf Würfeln. Alicia begann, sich damit zu beschäftigen.
Sie schüttelte den Becher und paßte auf, bei welcher Augenzahl die rollenden Würfel liegenblieben.
»Vielleicht möchte ich doch eine Erneuerte sein«, erklärte sie plötzlich.
»Machst du Witze, oder …«
»Teils. Zumindest teils. Aber da war ein Augenblick, als ich dachte, ich müsse sterben, du weißt schon, als ich mit Cheryl rang, und ich habe darüber nachgedacht. Daß ich nicht ganz bereit war zu sterben und all das alte Zeug. Ich dachte, ich hätte doch noch Aufgaben zu erfüllen, ich würde gern weiter mit dir Zusammensein, so der übliche sentimentale Quatsch.«
»Du kannst deine Meinung ändern, wenn die Zeit gekommen ist. Laß dich erneuern.«
»Nein. Ich kann nicht. Auch wenn sie meine Identität niemals feststellen.«
»Glaubst du, sie werden sie feststellen?«
»Möglich ist es. Man sagte mir, gegen dich sei ein Steckbrief erlassen worden. Gegen mich auch, aber auf den Namen Nancy Donner.«
»Nun, Ben meint, er könne mir eine neue Identität beschaffen. Wir können in den noch übriggebliebenen Wildnissen dieses großen Landes verschwinden.«
»Sicher. Ich freue mich darauf.«
Sie stellte den Würfelbecher hin.
»Mein Vater hat mich einmal auf eine Reise in den Westen mitgenommen. Es hat mir dort gefallen, besonders das Gebiet, das früher Colorado genannt wurde. Vielleicht wird es immer noch Colorado genannt, es sind nicht viele Namen geändert worden. Diese Reise machten wir, kurz nachdem du uns in Cleveland im Stich gelassen hattest.«
»Im Stich gelassen?«
»Ich war wütend auf dich. Wütend auf meinen Onkel Voss, weil er mich dazu gebracht hatte, ihn zu lieben, und dann fortging, ohne sich noch einmal umzusehen. Ich glaube, ich wußte, daß meine richtigen Onkel nicht viel Interesse für mich hatten und daß mein Vater mir seine Liebe niemals zeigen würde. Er tat es auch nie. Nur als er mich verließ, an dem Tag, als er zu den Sternen aufbrach, nachdem er seine Tochter betreut hatte, bis sie ein vernünftiges Alter erreichte. Komisch, wie meine Kindheitserinnerungen an die beiden Menschen, die ich am meisten geliebt habe, immer darum kreisen, daß sie mich verlassen – du in Cleveland, mein Vater bei seinem Aufbruch in den
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