Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
Vom Netzwerk:
Che­ryl ver­such­te, Ali­cia ab­zu­schüt­teln. In ih­rem Ge­sichts­aus­druck misch­ten sich To­des­angst und Stau­nen über Ali­ci­as Kräf­te.
    »Das ist ge­nug, Ali­cia!« rief ich.
    »Nein, Voss«, flüs­ter­te sie noch ein­mal.
    Be­vor ich ein­grei­fen konn­te, schlos­sen sich Che­ryls Au­gen, und ihr Kör­per wur­de schlaff. Viel­leicht ha­be ich et­was kra­chen ge­hört.
    »Ge­hen wir, Ali­cia«, sag­te ich. »Sie ist be­wußt­los, wir kön­nen ge­hen.«
    »Nein, Voss. Nein, Voss. Nein Voss.«
    Nichts als die­ser ri­tu­el­le Sings­ang. Mir blieb nichts üb­rig, als sie an den Schul­tern zu fas­sen und von Che­ryl weg­zu­zie­hen.
    Che­ryls Kopf hob sich mit Ali­ci­as Hän­den. Ali­cia woll­te nicht los­las­sen. Ich muß­te sie auf den Arm schla­gen, um ei­ne ih­rer Hän­de zu lö­sen. Lang­sam, wi­der­stre­bend nahm sie auch die an­de­re von Che­ryls Hals. Ich brauch­te Che­ryl nicht nach Le­bens­zei­chen zu un­ter­su­chen.
    »Ali­cia, ich …«
    »Sag nichts, Voss.«
    Ei­ne vol­le Mi­nu­te lang saß sie da und starr­te die Lei­che an.
    Ich wand­te den Blick ab. Es war we­ni­ger des­we­gen, daß es mir vor Che­ryls Lei­che graus­te, als daß ich Ali­cia nicht an­se­hen woll­te.
    »Es war nö­tig, Voss«, er­klär­te Ali­cia schließ­lich. »Wir ha­ben im­mer noch ei­ne klei­ne Chan­ce. Wä­re sie am Le­ben ge­blie­ben, hät­te sie …«
    »Was für ei­ne Chan­ce? Sie ha­ben Sta­cy!«
    »Sta­cy? Ist er fest­ge­nom­men?«
    Einen Au­gen­blick lang konn­te ich nicht spre­chen, woll­te ich ihr nicht sa­gen, daß auch er tot sein muß­te. Dann er­zähl­te ich es ihr.
    »Es tut mir leid, Voss. Es tut mir leid, daß du es mir nicht sa­gen konn­test. Aber ich glau­be, ich ha­be es doch rich­tig ge­macht. Wir muß­ten Che­ryl tö­ten. Es macht mir nichts aus. Glaub bloß nicht, daß es mir et­was aus­macht. Es gibt kei­nen Grund …«
    »Ver­giß es. Ma­chen wir, daß wir hier weg­kom­men. Wie du sag­test, viel­leicht ha­ben wir noch ei­ne Chan­ce.«
    Be­vor wir das Bü­ro ver­lie­ßen, blick­te Ali­cia auf Che­ryls Lei­che zu­rück und sag­te: »Ich hof­fe, man fin­det sie recht­zei­tig.«
    »Recht­zei­tig?«
    »Nun, es trifft sich güns­tig für sie, daß sie hier ge­stor­ben ist. Sie kann er­neu­ert wer­den und dann viel­leicht wie­der et­was Ver­nünf­ti­ges tun, Ro­ma­ne schrei­ben oder …«
    »Komm schon.«
    Ich er­in­ner­te Ali­cia erst spä­ter dar­an – nicht be­vor wir Kor­ri­do­re ent­lang­ge­rannt und durch Lu­ken ge­klet­tert wa­ren und Kon­troll­punk­te um­gan­gen hat­ten, nicht be­vor wir in die Au­ßen­welt ge­lang­ten und ei­ne Li­mou­si­ne stahlen, nach Wa­shing­ton zu­rück­fuh­ren und nach New York flo­gen –, daß sich ih­re Hoff­nung, Che­ryl wer­de einen neu­en Kör­per be­kom­men, auf ei­ne sehr ge­rin­ge Wahr­schein­lich­keit grün­de­te.
    Ali­cia frag­te, im­mer noch be­nom­men, wie­so. Ich ant­wor­te­te, Sta­cy und ich hät­ten Er­folg ge­habt und für ei­ni­ge Zeit wür­den nur sehr we­ni­ge Er­neu­er­te aus der Wa­shing­to­ner Kam­mer für die Ver­ga­be neu­en Le­bens zum Vor­schein kom­men. Ali­cia hat­te Che­ryl in ih­re Zäh­lung der ver­nich­te­ten Er­neu­er­ten nicht mit ein­ge­schlos­sen. Ein Aus­druck des Ent­set­zens über­zog ihr Ge­sicht. Dann wur­de sie ganz ru­hig. Sie wie­der­hol­te, ich sol­le nicht glau­ben, daß es ihr et­was aus­ma­che. Es tue ihr leid, aber es ma­che ihr nichts aus.
     

 
12
     
    Wäh­rend der Rei­se nach New York schlief ich im­mer wie­der ein und sah die selt­sa­men Ge­stal­ten und fla­ckern­den Um­ris­se der See­len vor mir, die ich »ge­tö­tet« hat­te.
    Ich re­de­te mir selbst zu, sie sei­en noch nicht ein­mal tot, sie sei­en im­mer noch be­wußt­lo­se We­sen­hei­ten, die ver­sorgt und er­hal­ten wur­den. Aber der Tod nä­her­te sich ih­nen. Sie wür­den lang­sam aus­bren­nen, oh­ne es zu mer­ken, sie wür­den ei­ne Le­bens­span­ne zu früh in die Ewig­keit ein­ge­hen. Oder zu spät, je nach­dem, wel­chen Stand­punkt man ein­nahm. In je­dem Traum schie­nen die See­len zu lei­den; sie be­schwo­ren mich, mei­ne Tat rück­gän­gig zu ma­chen, sie am Le­ben zu las­sen, ih­nen nur noch

Weitere Kostenlose Bücher