Alicia II
mein Körper sich zur Kooperation bereitfand.
Da ich den Befehl hatte, mich den größten Teil des Tages auszuruhen, spielten wir meistens bei Sonnenuntergang, wenn die Strahlen der roten Sonne dem Öl, den Algen und dem auf der Wasseroberfläche angesammelten Abfall Myriaden von scharfen und stumpfen Lichtern entlockten. Manchmal machte das Gleißen mich buchstäblich blind, und dann sandte ich voll Hoffnung, es sei nicht etwa eine aufgepfropfte Synapse auf die Wanderschaft gegangen, eine hastige Botschaft an meine Augen. Diese gewährten mir widerstrebend ein verwischtes Bild. Langsam – nur um mich zu ärgern, um sich ein bißchen Unabhängigkeit von dem Eindringling in diesem Körper zu bewahren – ließen sie es dann schärfer werden. Manchmal leisteten meine Lungen nervenaufreibenden Widerstand und jagten mir stechende Schmerzen durch den Brustkorb, wenn ich nach der benötigten Luft rang. Manchmal befehdeten sich meine Glieder gegenseitig in dem Wettstreit, welches mich am meisten in Verlegenheit bringen könne.
Abends suchten wir nach Muscheln, fanden aber nur wenige.
Schließlich war der Strand von den letzten Strandläufern abgekämmt worden, bevor sie ihn gegen künstlichen Ersatz – die Plaststrände – eintauschten. Dort wurden sie bezahlte Strandwärter und waren ebenso falsch wie das Terrain, das sie abpatrouillierten. Nun ja, wer war ich, daß ich die Nase über ein solches Leben rümpfte? Es war natürlich eins der besseren Paradiese, die die Ausgemusterten in den wenigen ihnen zugestandenen Jahren suchten, bevor sie sich vor der Erneuerungskammer anstellten. Ich mußte an die lange Reihe von Ausgemusterten denken, die ich in meiner ersten Lebensspanne gesehen hatte. Mit hängenden Schultern und leeren Augen wanderten sie wie ein Spaghetti-Strang in den Eingang der Erneuerungskammer, damit selbstsüchtige Qualifizierer wie Onkel V. sich ihrer Körper für die nächste Inkarnation bedienen konnten. Wenn meine Gedanken diese Richtung einschlugen, hörte ich auf, mich über fehlende Muscheln zu ärgern.
Alicia machte einen zu aufgeweckten Eindruck, um ausgemustert zu sein, sie schien intelligent genug, um auch die schärfsten Testfolgen zu bestehen. Wenn sie ausgemustert war, sagte ich mir, mußte sie sich bei einem neuen Test unwiderruflich qualifizieren. Die Frage, der Zweifel nagten so an mir, daß ich mir gelobte, mich bei der ersten sich bietenden Gelegenheit über Alicias Status zu vergewissern.
2
»Komm, Onkel V. gehen wir schwimmen«, schlug sie vor, nachdem ich (wieder einmal) auf dem Rücken liegend zugestimmt hatte, mit ihr zu spielen. Was sie wollte.
»Ich kann nicht schwimmen.«
»Weißt du immer noch nicht, wie man das macht?«
»Ich weiß, wie man es macht. Das habe ich schon gewußt, als Methusalem und Salomo die ersten Schritte taten.«
»Dann hast du eben gelogen.«
»Ich habe nicht gelogen. Ich weiß, wie man es macht, aber ich kann meine Beine nicht dazu bringen, daß sie richtig funktionieren. Sie machen Flop, wenn sie Flip machen sollten.«
»Du machst immer Flip-flop. Flip-flop. Flip-flop.«
Der Klang des Worts gefiel ihr. Sie umkreiste meinen hilflosen Körper und sang es wie eine Formel für ein Ritualopfer. Der Sand scheuerte meine Haut wund, und die Sonne versuchte, mir die Augen auszubrennen. Alicia wurde der Zeremonie schnell müde. Sie rannte zum Wasser und rief: »Du hast ja noch gar nicht versucht, ob du schwimmen kannst! Angsthase!«
»Du kleine Hexe, ich kriege dich schon noch!«
Das sagte ich in sitzender Haltung. Ich hatte Jahre gebraucht, sie zu erreichen.
»Du kannst mich nicht kriegen, wenn du nicht schwimmen kannst.«
Sie platschte ins Wasser, und ihre langen
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