Alicia II
entgegengehen. Irgendwie gelang es ihr, daß die Erneuerungsdirektoren sie im Alter von zweiundzwanzig akzeptierten, vier Jahre zu früh. Es war keine Versicherungspolice im Spiel, es war nichts als eine freiwillige vorzeitige Auslieferung an das Beinhaus. Doch als die ihr festgesetzte Stunde nahte, verfiel sie in Schwermut, meditierte lange und konnte sich mit den Leuten, die zu ihr kamen, kaum verständigen. Sie berichteten, Ethel spreche in unzusammenhängenden Ausdrücken, in sinnlosen Sätzen.«
»Vielleicht hatte sie einfach Angst.«
»Vielleicht, aber als sie aus dieser Zeit der Kümmernis auftauchte, nur ein paar Tage, bevor sie sich in die Erneuerungskammer begeben mußte, setzte sie sich nicht mehr für demütiges Hinnehmen ein. Sie sagte, indem wir unsern Status als Ausgemusterte akzeptierten, täten wir unsern Seelen Gewalt an, statt ihnen die Erlösung zu erwerben. Die Leute hielten ihr vor, wenn das wahr sei, dann habe sie zuvor unrecht gehabt. Hatten die Stimmen sie belogen, als sie ihr sagten, der Himmel warte am Ende ihrer Wanderungen auf die leidenden Seelen? Sie antwortete nein, Gott sei gnädig und werde fortfahren, die Pforten des Himmels für uns offenzuhalten. Aber Er wolle etwas anderes von uns. Er wolle, daß wir uns den Qualifizierten widersetzten, daß wir alles täten, um zu verhindern, daß unsere Körper ihr Eigentum würden. Sie sagte, wir müßten die Erlösung aufs Spiel setzen, um die Schändung unserer Körper durch die Hände derer, die uns versklavt hätten, zu verhindern. Ihre Stimmen sagten ihr jetzt, wir müßten alles in unserer Macht Stehende tun, um das Erneuern zu verhindern, und wenn wir es nicht verhindern könnten, dürften wir unser Schicksal nicht einfach passiv hinnehmen. Ihre Jünger fragten sie, was sie tun sollten, aber sie antwortete, das müßten sie selbst herausfinden.«
»Nach allem, was ich heute abend gehört habe, finden sie es langsam heraus.«
»Ich weiß nicht, was du gehört hast, aber es könnte mancherlei sein. Jedenfalls fragten sie sie, was sie selbst zu tun plane. Wolle sie sich den Qualifizierten aktiv widersetzen, sich verstecken, sie angreifen oder was sonst? Sie sagte, sie sollten zum Beinhaus kommen und es sich ansehen. An dem für Ethel festgesetzten Tag drängte sich die Menge vom Beinhaus bis zum Horizont. Den meisten Leuten, die eintrafen, war klar, daß es ihnen nicht möglich sein würde zu sehen, was St. Ethel tat, um ihren Peinigern ein Exempel zu statuieren. Die Polizei mußte gerufen werden, um die, die in die Kammer mußten, von denen zu trennen, die bloß Zuschauer waren. Beinahe wäre es zu einem Aufstand gekommen, aber St. Ethel beruhigte die Zornigen in der Menge, indem sie ihnen von ihrem Platz in der Schlange aus zurief. Stunden vergingen, und die ganze Zeit hielten die Polizisten Waffen auf die Menge gerichtet. Leute riefen St. Ethel zu, und sie antwortete ihnen. Die Antworten wurden alle aufgezeichnet und sind Bestandteil unseres Rituals. Als die Gruppe, zu der sie gehörte, in die Kammer gerufen wurde, trat St. Ethel aus der Reihe, auf die Zuschauer zu. Die vordersten drängten ihr entgegen, aber die Polizisten hielten sie zurück. Nachdem sie vielleicht ein halbes Dutzend Schritte getan hatte, wobei die Augen der Menschenmasse und der Polizisten an ihr hingen, blieb St. Ethel stehen. Sie hatte eine große Tasche bei sich. Daraus nahm sie einen kleinen Behälter mit etwas, das sich später als Benzin herausstellte, und übergoß sich in einer schnellen Bewegung damit. Beinahe ebenso schnell hatte sie ein Streichholz angerissen und an ihre Kleidung gehalten. Die Flammen loderten um sie empor, ehe noch irgendwer
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