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Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
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hör­te ih­re Stim­men, und an­fangs gab sie nur Rat. Du weißt schon: Sei ge­dul­dig, und dein Liebs­ter wird noch in die­sem Mo­nat zu­rück­keh­ren, ha­be Glau­ben, und du wirst großen Reich­tum ge­win­nen, be­te, und das Glück wird zu dir kom­men. Es war nichts Merk­wür­di­ges dar­an, au­ßer daß die­se Ratschlä­ge von ei­nem klei­nen Kind ge­ge­ben wur­den.«
    Wäh­rend sie über Ethel sprach, nä­her­te sie sich, als sei sie ge­ru­fen wor­den, dem klei­nen Schrein und dreh­te einen Schal­ter an sei­nem So­ckel. Dif­fu­ses Licht fiel auf die Sta­tue, die ein ziem­lich un­schein­ba­res Mäd­chen dar­stell­te, das mit un­schul­di­gen Au­gen nach oben blick­te, Hei­li­gen­bil­dern al­ler Re­li­gio­nen nicht un­ähn­lich. Die Sta­tue war gut ge­macht und le­bens­echt, be­son­ders für ei­ne Mi­nia­tur. In ei­nem schie­fen Halb­kreis wa­ren um den So­ckel ty­pi­sche Op­fer­ga­ben an­ge­ord­net: Ker­zen, klei­ne Plas­tik­blu­men, Ge­bets­kar­ten.
    »Spä­ter sag­te sie, die Stim­men sei­en da­hin­ge­gan­ge­ne Aus­ge­mus­ter­te. Sie sag­te, sie wän­den sich in Schmer­zen, wenn sie über die­se Er­de streif­ten und ih­re Schre­cken sä­hen.«
    »Sie streif­ten über die Er­de? Meinst du Geis­ter?«
    »Nicht ganz, ob­wohl sie sich un­ter uns wie Geis­ter be­we­gen. Aber das Wort schmeckt nach Aber­glau­ben. Wir den­ken an sie lie­ber als an See­len.«
    »„See­len“ hat die bes­se­re Tra­di­ti­on, den­ke ich.«
    »Bit­te spot­te nicht.«
    »Ver­zei­hung. Wirk­lich, ich woll­te nicht spot­ten. Mir ist es im­mer un­an­ge­nehm ge­we­sen, daß das Wort ‚See­le’ für die Er­neue­rungs­über­tra­gung ver­wen­det wird. Ich bin nur ein biß­chen über­rascht und ver­wirrt, die­se Sei­te an dir zu ent­de­cken.«
    »Ich un­ter­schei­de mich nicht von an­de­ren mei­ner Art. Der Glau­be an St. Ethel hat sich in den letz­ten zehn oder fünf­zehn Jah­ren stark un­ter uns ver­brei­tet, ob­wohl die große Mehr­heit der Aus­ge­mus­ter­ten im­mer noch eher welt­lich ein­ge­stellt ist.«
    »Er­zäh­le mir mehr von ihr. Ich bin … seit lan­gem nicht mehr auf dem lau­fen­den und weiß von nichts be­son­ders viel.«
    Bru lä­chel­te. Ge­ra­de ge­nug, daß es freund­lich wirk­te, nicht ge­nug, um mehr zu sein. Ih­re Au­gen glit­zer­ten und spie­gel­ten das Fla­ckern der Ker­ze wi­der, die sie an­ge­zün­det hat­te.
    »St. Ethel sag­te, die See­len sag­ten, sie sei­en da­zu ver­dammt, auf Er­den zu wan­deln, so­lan­ge ih­re Kör­per von Er­neu­er­ten be­nutzt wür­den. Ob­wohl die Zeit ih­rer Wan­de­run­gen sel­ten län­ger als hun­dert Jah­re be­tra­ge, sag­te sie, las­se die Leer­heit ih­rer Exis­tenz sie ih­nen wie ei­ne Ewig­keit vor­kom­men. Sie er­lang­ten erst dann die Frei­heit, wenn der Be­sit­zer des Kör­pers sei­ne See­le ei­nem neu­en Kör­per ein­pflan­zen las­se. Und da­mit be­gin­ne der Kreis­lauf von neu­em, denn der Ein­dring­ling zwin­ge ei­ne an­de­re See­le, ei­ne Ewig­keit lang über die Er­de zu wan­dern. Nur der vor­zei­ti­ge Tod ei­nes in Be­sitz ge­nom­me­nen Kör­pers kön­ne die Er­den­wan­de­run­gen der ver­damm­ten See­len ab­kür­zen.«
    »Du sag­test, sie er­lan­gen die Frei­heit. Wo­hin ge­hen sie dann?«
    »In den Him­mel, sag­te St. Ethel. Sie sagt, wir kämen al­le in den Him­mel.«
    »Ist das nicht bes­ser als das, was die meis­ten Re­li­gio­nen zu bie­ten ha­ben? Das Fe­ge­feu­er kann Jahr­hun­der­te dau­ern, die Höl­le für im­mer. Ei­ne re­la­tiv kur­ze Zeit mit der Auf­la­ge, über die­se Er­de zu wan­dern, und dann ewi­ge Er­lö­sung im Him­mel. Kein schlech­ter Han­del, fin­de ich.«
    »Es gibt Leu­te, die dem wi­der­spre­chen wür­den, aber ich brin­ge es nicht über mich, Fa­cet­ten mei­nes Glau­bens so kalt­her­zig zu dis­ku­tie­ren. Nach St. Ethel steht uns der Him­mel nur des­halb of­fen, weil der Mensch in Got­tes ei­ge­ne Plä­ne für uns hier auf der Er­de ein­ge­grif­fen hat. Sie sag­te, Er ha­be uns be­stimm­te Le­bens­span­nen zu­ge­stan­den – die grund­le­gen­de Vor­be­stim­mung, so wird es manch­mal ge­nannt. Die­se Le­bens­span­nen wür­den durch den Er­neue­rungs­pro­zeß

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