Alien 2: Verborgene Harmonien
nach
vorn, der Vogel hüpfte über den Begrenzungszaun und stieg
über die Baumwipfel. Wie Savory geraten hatte, hielt Rick den
Blick auf die Landschaft geheftet. Unter ihnen lag das Linienmuster
der Stadt, dichtgepackte Flachdächer wechselten mit dem tieferen
Netz der Straßen. Die Hügel der Altstadt, das
Durcheinander des Industrieviertels. Wenig später glitten die
länglichen Formen der Dockpontons vorbei, und dann schwebte der
Hubschrauber über die schlammigen Wasser der
Gezeitenmündung auf die Salzmarschen zu.
Rick drückte sich enger an die vibrierende Plexiglaskuppel.
Tief unter ihm lag die Marsch. Zwischen den silbern blitzenden sich
schlängelnden Prielen wirkten die Grasflächen wie
grüne, tränenförmige Inseln, deren Spitzen alle in
dieselbe Richtung wiesen. Bisher war noch niemand auf die Idee
gekommen, die gewundenen Wasserläufe in einer Karte
festzuhalten. Das wimmelnde Leben dort unten war von den
Einflüssen der Stadt jenseits der Gezeitenmündung verschont
geblieben. Da unten lag ein völlig intaktes Ökosystem: Es
gab große, fleischfressende Amphibien, die manchmal sogar in
den Docks auftauchten, Pflanzen, die ihre Samen mit Hilfe von kleinen
Wasserstoff-Taschen in den Blüten in die Umgebung
versprühten, Lemuren, die durch die mannshohen
Hohlstengel-Wälder des Schilfs turnten, Paravögel mit
großen Plattfüßen, mit denen sie angeblich über
das Wasser laufen konnten, und Tausende anderer, bisher ignorierter
Wunder.
Der Hubschrauber brummte ungefähr in hundert Meter Höhe
über die Baumfarne hinweg, überquerte das schlammige Band
des Flußhauptarmes und huschte über dichtbewaldete
Hänge mit spärlichem Grün in ein Tal, das schroffer
und weniger anheimelnd wirkte als die Täler in Ricks
Kindheit.
Savory drehte sich um und deutete über die Schulter des
Piloten hinweg auf dunkle Rauchsäulen, die aus dem Tal
aufstiegen. Der Helikopter flog eine Kehre, das Knattern der Rotoren
veränderte sich. Einen langen Augenblick drohte das Unwohlsein
in Ricks Magen in eine Welle der Panik auszuufern.
Der Helikopter schraubte sich vertikal höher, die
baumbestandenen Hänge zu beiden Seiten fielen zurück,
andere Täler dehnten sich bis zum dunstigen Horizont. Der Vogel
verharrte über den bizarren Felsformationen der Hügelkuppe.
Dicht unter ihnen lagen die Strafminen, ein schmutziges Gewirr von
Hütten, Gießereischuppen, Abstichrinnen und den rauchenden
Kegeln der Schmelzen. Wieder flog der Hubschrauber eine Kehre, um
nicht in die starke Thermik der Hochöfen zu geraten. Rick sah
die terrassenförmigen Abtragungen, rot wie blutende Wunden, die
der Tagebau in die Landschaft geschlagen hatte. Den dichten Wald
unterhalb der Minen durchzogen Gleise, auf denen das Erz in Loren zum
Delta transportiert wurde.
Der Helikopter ging tiefer und setzte sanft wie eine Feder
zwischen hohen Verladebühnen und einer Reihe länglicher
Schuppen am Rand des Zwangsarbeiterlagers auf. Die Rotoren drehten
langsamer, bis nur noch ein vereinzeltes Schwirren zu hören war,
und blieben schließlich stehen. Eine Transportlore, deren
Kabine vor der großen rostigen Erzmühle im Hintergrund
winzig wirkte, stoppte in einer Staubwolke unter den hohen
Transportbändern der Ladeplattform. Das Wimmern ihrer
Kompressoren verstummte, und Rick konnte das asynchrone Hämmern
der Gesteinsbohrer irgendwo hinter den Hütten auf der anderen
Seite des Lagers hören.
Ein Mann mit dichtbehaarter Brust unter dem weit geöffneten
Oberteil eines schmutzigen Overalls kam durch die Staubwolke auf den
Hubschrauber zu.
»Das ist unser Mann, Dr. Florey«, rief Savory und
stieß die ovale Einstiegsluke auf. Das Rattern der Maschinen
verstärkte sich erheblich. Die Luft, die in die Kabine drang,
war überraschend kühl, hinterließ aber einen bitteren
Geschmack auf der Zunge. Metallstaub von der Erzmühle,
Asche.
Rick folgte Savory mit steifen Schritten über den Lagerplatz.
Der muskulöse Minenarbeiter starrte ihm entgegen und fuhr sich
mit dem Handrücken über das unrasierte Kinn. Sein blondes
Haar war grau vom Staub. Rick erwiderte unbehaglich seinen Blick. Im
Lauf seiner Universitätsjahre hatte auch er sich
unwillkürlich eine gewisse Überheblichkeit und Verachtung
Menschen gegenüber angewöhnt, die ihren Lebensunterhalt der
Scholle abringen mußten – Siedlern wie Bergarbeitern
gleichermaßen. Er sah sein Leben wie das Wachstum einer
Pflanze, die aus dem Schatten des Unterholzes in den hellen
Sonnenschein vorgedrungen war.
»Ist
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