Alien 2: Verborgene Harmonien
heraufschallte.
Geleitet von der Stimme in seinem Kopf, führte Miguel die
anderen in die Höhle. Mari knipste ihre Taschenlampe an. Der
Lichtkegel fiel auf den sandigen Boden einer
gewölbeähnlichen Kammer. Es dauerte nicht lange, bis sie
auf den unterirdischen See, der den Bach speiste, und eine Reihe von
kalkigen Tümpeln stießen. Miguel hatte mit ihrem
Vorhandensein gerechnet. In der Nähe der Tümpel lagen
vertrocknete Gebeine herum. Ganz offensichtlich war die Höhle
seit Jahren nicht mehr betreten worden. Hinter dem See verengte sie
sich. Dort, wo sich ihre Wände fast trafen, hob sich ein steiler
Hang aus Felsbrocken und Geröll einem grauen Lichtschimmer
entgegen.
Jonas kletterte hinauf und verschwand für kurze Zeit. Wenig
später kam er zurück und erklärte, der Weg nach oben
ins Freie sei ziemlich leicht zu bewältigen. »Der Ausgang
liegt hinter einem Grat, der auf der einen Seite den Canyon
überblickt und auf der anderen Seite zu offenem Grasland
abfällt.«
Sigurd Lovine lächelte unter seinem buschigen Bart und schlug
Miguel anerkennend auf den Rücken. »Das hast du gut
gemacht, mein Freund. Hier ist Platz genug für uns alle, sogar
für die Pferde. Wenn wir am Eingang der Schlucht Posten
aufstellen, sind wir sicher.«
»Ich hoffe, du hast recht«, knurrte Jonas und bedachte
Miguel mit einem mißtrauischen Blick.
Innerhalb der nächsten Stunde, nachdem die Sonne irgendwo
hinter den Wolken untergegangen war, hatten die Rebellen mit dem Holz
eines umgestürzten Baumes dicht vor der Höhle ein Feuer
angezündet, ihre Schlafdecken auf dem sandigen Boden
ausgebreitet und die angehobbelten Pferde mit Heu versorgt. Miguel
hockte auf einem Felsbuckel vor dem Höhleneingang und sah dem
Treiben der Rebellen zu. Zum erstenmal, seit der Blaue Bruder in
seinem Kopf wohnte, hatte er keine Einwände erhoben, als Miguel
sich eine Scheibe Schlangenwurz-Extrakt unter die Zunge schob. Doch
sein erweitertes Bewußtsein verriet ihm nichts über die
Aborigines. Sie hatten diesen Ort seit Jahren nicht mehr aufgesucht.
Selbst ihre Geister waren verschwunden. Trotzdem mißfiel ihm
das laute Treiben der Aufrührer an einem Ort, der einmal den
Aborigines heilig gewesen war. Irgendwie betrachtete er es als ein
Sakrileg. Daher ging er sofort zu Sigurd Lovine, als dieser mit
seinem kleinen Buch vor die Höhle trat, und fragte ihn, ob sie
am nächsten Tag weiterziehen würden. Lovine schüttelte
den Kopf. Der Feuerschein färbte seinen Bart rötlich.
»Du hast uns einen guten Lagerplatz gezeigt, Miguel. Mach dir
keine Sorgen. Wir sind wie die Kinder Israels viel zu lange durch die
Wildnis gezogen. Ab jetzt werden wir uns auf die Suche nach den Cops
machen und ihnen einen heißen Tanz liefern.«
»Ich weiß nicht, ob das so – wie nennen Sie das?
– ideal wäre«, meinte Miguel und fühlte, wie der
Blaue Bruder sich regte, eine kalte Schlange, die sich durch seinen
Kopf wand.
Lovine legte Miguel seine große Hand auf die Schulter.
»Sei froh, daß du uns helfen konntest, Mann. Du bist wie
die Laterne im Fenster, deren Lichtschein uns den Weg nach Hause
gewiesen hat. Verstehst du, was ich meine?«
»Sicher«, antwortete Miguel, der kein Wort verstand. Er
fühlte sich plötzlich äußerst unwohl in seiner
Haut.
Zudem summte die Droge in seinem Kopf. »Ich gehe jetzt besser
hinein«, murmelte er und duckte sich durch den
Höhleneingang. Männer und Frauen saßen auf ihren
verpackten Habseligkeiten, lachten und unterhielten sich miteinander.
Andere reinigten ihre Gewehre. Miguel ging an ihnen und den
angebundenen Pferden vorbei und verkroch sich im hinteren Teil der
Höhle.
Die stille Oberfläche des Sees schimmerte dunkel. Miguel
hockte sich am Ufer in den Sand, wobei er sorgfältig darauf
achtete, die zerbrechlichen Knochen dort nicht zu berühren, und
starrte auf die spiegelnde Fläche. Am liebsten hätte er
sich an den Posten vor der Höhle vorbeigeschlichen und sich
davongemacht. Aber das konnte er nicht. Der eiserne Wille des Blauen
Bruders hielt ihn hier fest.
Leise sagte Miguel: »Du mußt mir erklären, wie es
jetzt weitergeht. Ich werde tun, was du sagst, aber ich muß
wissen, wohin du mich führst.«
Doch es kam keine Antwort, so sehr er auch flehte. Der Blaue
Bruder blieb stumm.
Miguel war so sehr in sein einseitiges Gespräch versunken,
daß er Jonas erst bemerkte, als der Rebellen-Anführer vor
ihm stand. Er hatte die Daumen in die Gürtelschlaufen seiner
Jeans eingehängt und den Rockschoß seiner
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