Alien Earth - Phase 1
Mensch erhöhte die Aussichten, dass genug den Untergang überleben würden, um der Rasse eine Zukunft zu ermöglichen.
Rudi irrte sich. Was zwischen ihm und den Flygirls geschah, wies nur eine oberflächliche Ähnlichkeit zu den Beischlafzeremonien Himmelsbergs auf. Es war freiwillig. Es geschah, wann und wie lange es Rudi und das jeweilige Flygirl wollten. Wo sie es wollten, wie sie es wollten. Und es war einfach zum Spaß, nicht um einen Beitrag zur Rettung der Rasse zu leisten. Es bot eine Leichtigkeit, deren Existenz Rudi bislang nur erahnt hatte.
Eine Ahnung dessen, was Rudi sich von seinem Engel erträumt hatte. Also machte er weiter. Und irgendwann war Beatrice an der Reihe. In Norwegen hatte er sie auf Abstand gehalten - wie alle Flygirls, denn Himmelsberg war ihm noch zu nahe gewesen, um sich auf irgendetwas einzulassen -, aber auf Funafuti schlief er zwei von drei Malen mit ihr. Er mochte Beatrice. Sie war hübsch, aber nicht so sehr, dass sie ihn einschüchterte. Sie war klug, aber nicht klüger als er. Und sie sprach schön. Sie war Frankokanadierin, aus Quebec, und hatte es irgendwie geschafft, aus ihrer Enklave herauszukommen. Wie, darüber ging sie mit einem Scherz hinweg, wenn Rudi sie fragte. Beatrice besaß einen weichen, gehauchten Akzent, als wäre Englisch ihre zweite Sprache, im Nachhinein gelernt. Was nicht stimmte, denn sie war zweisprachig aufgewachsen, aber was zählte, war das Gefühl, das sie Rudi vermittelte, und das war gut. Wenn er mit Beatrice sprach, schämte er sich nicht seines eigenen Akzents.
Beatrice fragte ihn nie nach seinem Engel aus. Das war das Beste von allem. Die anderen Flygirls schienen nach einiger Zeit wie besessen von seinem Engel. Sie wollten alles ganz genau wissen. Wie sie aussah, was sie gesagt hatte, wie es sich angefühlt hatte - es gab nichts, was sie nicht aus Rudis Innerstem heraus ans Licht zerren und sezieren wollten. Wie hieß sein Engel?, wollten sie wissen. Würde er ihn je wiedersehen? Wie hielt er es aus, von seinem Engel getrennt zu sein? Schweigen half nichts. Je beharrlicher er schwieg, desto drängender fragten sie. Meistens ergab sich Rudi in sein Schicksal und erzählte. Irgendwas. Was ihm gerade einfiel. Die Flygirls glaubten ihm jedes Wort.
»Hast du schon gehört?«, wechselte Beatrice das Thema. »Die Amerikaner haben wieder ein Artefakt geborgen. Keine zweihundert Kilometer südlich von Majuro!«
Majuro. Bei den Marshallinseln, weit außerhalb der Company-Zone und am äußersten nördlichen Zipfel des Gebiets, in das sich Company-Patrouillen offiziell wagten.
»Sagen sie. Es gibt bisher keine Bestätigung dafür, keine Bilder.«
»Das will nichts heißen. Im Gegenteil. Vielleicht haben sie
ein richtig großes Ding gefunden und zeigen deshalb nichts. Sie wollen es in Ruhe untersuchen.«
»Und wenn schon.« Rudi passte das Thema nicht. Er wollte nicht von den Erfolgen anderer hören. »Was hat das mit uns zu tun? Majuro ist zu weit weg, von uns wäre sowieso keiner rechtzeitig hingekommen, um den Amerikanern den Brocken wegzuschnappen. Sie hocken fett auf den Marshalls und allem, was dahinter kommt. Wenn wir schneller wären …«
Wenn wir schneller wären … Die Bemerkung, die Beatrice todsicher in Rage brachte. Der Rest lief gewöhnlich nach Drehbuch: »Was soll das heißen, ›wenn wir schneller wären‹?«, zischte sie. Süß, aber bestimmt. Dann ein paar geharnischte Bemerkungen, die sich gegenseitig aufschaukelten, ein paar Tränen und ein paar Schläge, die erst in wilden und schließlich in zärtlichen Sex übergingen. Keine üble Achterbahnfahrt, fand Rudi, seit er das System begriffen hatte. Und nicht unpraktisch. Er musste nur den Knopf drücken, und es ging los.
Aber irgendwie klemmte der Knopf an diesem Tag. Beatrice legte eine Hand auf seine Hüfte und sagte ernst: »Wir haben aufgegeben, Flyboy, was?«
»Wie kommst du darauf?«
»Ganz einfach: Ich sehe und höre.«
»Ach ja. Und was siehst und hörst du?«
»Jemanden, der blind und taub ist.«
»Was willst du damit sagen?«
»Dass ich mir Sorgen um dich mache. Große Sorgen.«
»Das brauchst du nicht. Das erledige ich schon selbst!« Seine Schroffheit war teils kalkuliert, um Beatrices Knopf doch noch gedrückt zu bekommen und ihrer Aufmerksamkeit zu entgehen, teils kam sie von innen, gespeist vom Instinkt des Himmelsbergers, der Ärger wittert, wenn er über Gebühr Beachtung findet.
»Das hoffe ich«, sagte Beatrice ruhig. »Aber ich würde mir wünschen,
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