Alien Earth - Phase 3
behandschuhten Fingerspitzen abtastete. Dieses Licht oder das, was dieses Licht erzeugte, war ihr Antrieb. Der Anzug war ein Wunder, ein Stück Fleisch gewordener Magie. So, wie sie sich Alien-Technologie immer vorgestellt hatte.
Es gab Momente, in denen ihr der Gedanke ein übermächtiges Gefühl der Unverletzlichkeit schenkte. Sie war frei, wahrhaftig ungebunden. Sie schuldete nichts und niemandem etwas, zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie hatte ihren Teil getan. Sie hatte getan, was ihre Kameraden verlangt hatten: Diane hatte die Seelenspringer zurückgehalten, bis sie ihre Magazine leer geschossen hatte. Die letzten drei Kugeln hatte sie für sich behalten, für den letzten, auf sich selbst gerichteten Feuerstoß. Zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie nicht abgedrückt. Sie war nicht bereit gewesen zu sterben. Nicht, solange Melvin noch lebte.
Verzückt glitt sie durch die Tiefsee, bis die Flut der Glücks-Botenstoffe in ihrem Gehirn sich erschöpft hatte und Ernüchterung einsetzte. Der Anzug war ein Stück Magie, Alien-Magie. Ja. Hero hatte ihn entworfen, Wilbur hatte ihn ihr gegeben, aber in Wirklichkeit war er ein Geschenk der Seelenspringer. So wie Pasong ihr das Leben geschenkt hatte, nachdem sie Dutzende seiner Kameraden umgebracht hatte.
Wieso?
Was hatte Pasong mit ihr vor?
In diesen Momenten, wenn ihre sich im Kreis drehenden Gedanken zu dem Alien zurückkehrten, steuerte Diane den Anzug an die Wasseroberfläche. Hatte sie Glück und die See war ruhig, öffnete sie ihren Helm und holte die wasserdichte Schachtel aus der Tasche an ihrem Oberschenkel, öffnete sie und besah sich die Pille, die darin auf einem Schaumstoffpolster ruhte. Pasongs Abschiedsgeschenk.
»Was ist das?«, hatte sie den Anführer der Aliens gefragt. »Gift?«
»Nein«, hatte er geantwortet. »Sie ist für den Moment gedacht, an dem der Schmerz zu viel wird. Wenn du nicht mehr weiterkannst.«
Dann hatte er sie ziehen lassen.
Mehr als einmal hielt Diane die Schachtel mit der festen Absicht in der Hand, sie wegzuwerfen. Sie brachte es nicht über sich. Diane kannte Schmerz. Gut genug wenigstens, um zu wissen, dass der Moment, an dem er unerträglich wäre, kommen würde.
Also hütete Diane die Schachtel und begnügte sich damit, das Tageslicht oder die gnädige Dunkelheit zu genießen und die salzige Luft tief einzuatmen.
Sie tat es bis zu dem Tag, als der Himmel in Flammen aufging. Diane schrie auf, steckte die Pillenschachtel hastig in die Tasche am Oberschenkel und floh in die Tiefe, in die Schwärze, die ihr plötzlich verlockend und sicher erschien. Dort blieb sie, bis die fremde Schwärze der Tiefsee ihr zu viel Angst machte. Also stieg Diane wieder auf, in die Zwielichtzone. Dort nahm sie Zuflucht. Sie schien nicht die Einzige zu sein. Immer wieder zogen Fische an ihr vorbei, manche schossen neugierig auf sie zu, verweilten einige Augenblicke bei ihr, um wieder ihrer Wege zu ziehen. Einmal schloss sie ein Schwarm aus Tausenden unterarmlangen Fischen ein, begleitete sie mit den Schlägen von orangefarbenen Flossen. Die Fische machten ihr keine Angst. Sie hatten genauso viel Angst vor dem brennenden Himmel wie sie. Sie gehörten zum Meer.
Anders als die Schemen.
Diane bekam nie einen aus der Nähe zu sehen. Teils, weil sie vor ihnen flüchtete, sobald sie die Schemen bemerkte. Teils, weil die Schemen viel zu schnell waren. Sie wirkten plump, wie die Manatis-Seekühe, die sie einmal als Kind bei einem Bootsausflug vor der Küste Floridas gesehen hatte, aber sie waren rasend schnell. Wie kleine U-Boote, die sich durch das Wasser bohrten, oder Torpedos. Manchmal zog ein Schemen über Diane hinweg. Dann konnte sie im Gegenlicht sehen, dass Stöcke von ihm abstanden, die an die Läufe von Gewehren erinnerten.
Was immer die Schemen sein mochten - Maschinen? Menschen? GenMods? Aliens? -, Diane wollte mit ihnen nichts zu tun haben. Sie wollte Melvin finden, bevor der Krebs sie aufgefressen hatte. Das war alles. Also ging sie den Schemen weiter aus dem Weg und hoffte darauf, dass sie keine Zeit oder Neugierde für die todkranke Frau übrig hatten, die sich in einem Alien-Anzug durch den Pazifik arbeitete, um ihren verlorenen Geliebten zu finden.
Eine Woche gelang es. Die Schemen nahmen an Zahl zu, aber sie schenkten Diane keine Notiz.
Eine zweite Woche. Diane blieb unbemerkt.
In der dritten Woche verließ sie das Glück. In der Tiefe schräg unter Diane leuchtete ein Stern auf. Er funkelte und wurde größer,
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