Alien Earth - Phase 3
Hörte man auf, wäre ihr Tod sinnlos gewesen. Die Schießerei endet in einem Patt - und wer kann, besorgt sich größere Kaliber für die nächste Runde. So ist es uns und dem Hunter-Korps gegangen. Jetzt gehen sie in die zweite, letzte Runde. Sie haben Panzer aufgefahren.
Mir bleibt nicht mehr viel Zeit.
Die Aliens, die Seelenspringer … alles deutet darauf hin, dass sie es darauf anlegen, unseren Planeten zum Teufel gehen zu lassen. Schwer ist das weiß Gott nicht. Sie mussten uns nur die Waffen hinwerfen und die richtigen Knöpfe in unseren Köpfen drücken, den Rest erledigen wir selbst.
Aber wozu? Wir sitzen im selben Boot, nicht?
Schon. Aber was, wenn den Aliens die Inneneinrichtung nicht passt? Oder sie ihre Mitpassagiere - uns! - nicht ausstehen können?
Ich glaube, diese Erwägungen spielen in ihren Überlegungen mit. Aber sie sind nicht der Kern. Dabei ist uns Menschen der Kern längst bekannt. Wir haben ihn nur übersehen. Ich habe ihn übersehen, für lange Zeit. Bis ich nach meinem Untertauchen die Zeit gefunden habe zu lesen.
Meine Lektüre war der offizielle Untersuchungsbericht des Hunter-Korps zum Massen-Seelentransfer, der sich am 26. September 2065 am Frankfurter Hauptbahnhof zutrug. Er umfasst 4812 Seiten. Auf
Seite 3223 steht der entscheidende Punkt: Der Seelentransfer konnte nur deshalb gelingen, weil die betroffenen Menschen psychisch dazu bereit waren, dieses Leben hinter sich zu lassen und nach Sigma V aufzubrechen. Mit anderen Worten: Die Überschussmenschen hatten es satt. Ihre Verzweiflung war so groß, dass ihnen alles besser erschien, als auf der Erde zu bleiben.
Die Alienbänder und was immer sonst benutzt wurde, waren nur Beiwerk. Der entscheidende Faktor war, dass die armen Teufel es leid hatten.
Das Kalkül der Seelenspringer ging auf.
Und nun schicken sie sich an, ihr geglücktes Experiment zu wiederholen: diesmal in globalem Maßstab, mit der gesamten Menschheit. Ich, der ich mit so vielem danebengelegen habe, wage eine letzte Voraussage: Wir werden von Pasong hören. Er wird abwarten, bis wir vor Verzweiflung und Angst unmittelbar am Abgrund stehen - und dann wird er uns den entscheidenden Stoß geben.
Und ich armer Teufel habe tatsächlich gehofft, ich könnte mit von dieser Klippe springen.
- Auszug aus dem Notizbuch des Bernhard Ratschik, vormals ebenso gefeierter wie umstrittener Alien-Prediger, abgetaucht am 30. Juni 2066. Das Notizbuch wurde am 21. Dezember 2066 neben der Leiche Ratschiks gefunden.
KAPITEL 11
Zusammen glitten sie durch das Meer. Diane folgte dem Leitstern auf ihrem Display. Atsatun folgte Diane, weil sie nicht allein sein wollte und es immer noch besser war, gemeinsam einem Punkt auf einem Display zu folgen, als ziellos durch den Pazifik zu streifen.
Mit jedem Tag, jeder Stunde wuchs der Stern nun, rückte der Moment des Wiedersehens mit Melvin heran. Und mit jedem Tag erschien Diane ihre verzweifelte Reise durch den Pazifik hoffnungsloser. Der Krebs fraß sie schneller auf, als sie zu Melvin eilen konnte. Die meiste Zeit herrschte eine trügerische Ruhe in ihrem Körper, war sie schmerzfrei. Mehr noch, sie war frei von Empfindungen: Wenn sie sich auf ihren Magen konzentrierte, griff sie ins Leere. Als hätte ihr Magen zu existieren aufgehört. Als sei sie längst tot und bewege sich nur noch in einer Imitation von Leben, weil ihr verbohrter Dickkopf nicht einsehen wollte, dass es vorüber war mit ihr.
Auf die stumme Erschütterung über die Leere in ihrem Inneren folgten die Krampfattacken. Ihr Magen meldete sich in einer glühendheißen Stichflamme zurück, raubte ihr den Atem, ließ sie abwechselnd um sich schlagen und sich zu einem Ball zusammenrollen. Beides war nutzlos. Das Feuer, das in ihr brannte, das sie verbrannte, konnte sie nicht mehr löschen. Und wenn es doch endlich von allein erlosch, spürte Diane, dass sie etwas verloren hatte. Ein weiteres Stück ihrer Entschlossenheit - ihrer Sturheit, wie es viele nannten -, die sie über all die Jahre hinweg hatte durchhalten lassen, war ihr abhanden gekommen. Unwiderruflich.
Was Diane am Leben erhielt, war, dass ihre Sturheit so groß war und es vieler kleiner Tode bedurfte, um sie zu brechen. Außerdem hatte sie Atsatun. Das Mädchen blieb mit einer Entschlossenheit an Dianes Seite, die ihrer eigenen Sturheit in nichts nachstand. Atsatun zerrte Diane an die Meeresoberfläche, wenn sie sich übergab, hielt sie fest, wenn sie um sich schlug,
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