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Alien Earth - Phase 3

Titel: Alien Earth - Phase 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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weiß, was Schmerz ist«, sagte Atsatun leise. »Und ich weiß, dass er überflüssig ist. Schmerz hat keinen Zweck. Er macht dich nicht besser, er adelt dich nicht. Er ist keine Erfahrung, die es wert ist, gemacht zu werden. Er ist keine Prüfung eines Gottes oder einer über uns stehenden Wesenheit, ganz gleich, wie du sie nennen magst. Ich habe nach ihr gesucht, lange Zeit, und ich habe sie nicht gefunden. Nein, Schmerz tut nur weh. Wenn ich könnte, wollte ich in einer Welt ohne Schmerzen leben. Das weiß ich.«
    Mehr sagte sie nicht. Mehr gab es nicht zu sagen. Diane wandte den Kopf, sie hielt Atsatuns Blick nicht stand. Was hatte sie getan? Welches Recht nahm sie sich heraus, ihr Gegenüber zu verurteilen? Wer konnte wissen, was man dem Mädchen angetan hatte?

    Diane fasste einen Entschluss. Alles war besser, als in der eigenen Scheiße zu ersticken. »Bringst du mich nach oben?«, bat sie Atsatun.
    »Ja.«
    Das Mädchen nahm sie sanft an der Hand und führte sie zur Wasseroberfläche. Die Sonne stand schräg am Himmel, das Meer war ruhig. Diane öffnete den Helm, atmete tief die frische Seeluft ein, um den Geruch der Schande zu überdecken, der aus ihrem Anzug drang. Schließlich holte sie die Schachtel aus der Tasche, öffnete sie und schluckte die Pille von Pasong, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Dann wartete sie.
    Nichts geschah.
    Sie war immer noch Diane. Sie lebte immer noch. Sie starb immer noch. Der Gestank ihrer Scheiße drang immer noch aus der Halsöffnung ihres Anzugs.
    Atsatun wartete geduldig an ihrer Seite. Nach einigen Minuten hatte Diane genug davon, auf ein Wunder zu warten. Es gab keine Wunder. Nicht für sie, jedenfalls. Sie hatte es gewusst. »Los, weiter!«, rief sie dem Mädchen zu, wütend auf sich selbst. Wie hatte sie nur so dumm sein können, sich von den Seelenspringern die Rettung zu erwarten? War es das, was Pasong gewollt hatte? Sie mit einer Pille aus Speisestärke oder irgendeinem anderen gepressten Pulver zu demütigen, sie zu der Einsicht zu zwingen, dass ihr Dickkopf Grenzen hatte?
    Sie tauchten zurück in die Zwielichtzone und glitten weiter Melvins Stern entgegen. Diane stellte fest, dass er sich schlagartig vergrößert hatte. Er bedeckte jetzt fast die Hälfte der Displayfläche. Kein Tag trennte sie mehr von Melvin! Sie wusste es. Sie wusste nicht wieso, es war einfach so. Die Hoffnung erfüllte Diane mit neuer Kraft. Sie konnte es schaffen, ja. Sie musste sich nur zusammennehmen. Und wenn Diane eines mit Überzeugung von sich behaupten konnte, dann war es ihre Fähigkeit, sich zusammenzunehmen … Sie winkte dem Mädchen aufmunternd zu, und das Mädchen winkte ihr zurück. Es tat
gut, Atsatun wieder so sorglos zu sehen. So gut, dass Diane beinahe ihre eigenen Sorgen vergaß. Der Gestank ihrer Schande verschwand, als die Sanitäranlage des Anzugs ihren Durchfall neutralisierte. Und ihr Magen … sie spürte ihn! Diane brauchte einige Zeit, bis sie es bemerkte, so sehr war sie daran gewöhnt, dort entweder Leere oder Schmerzen vorzufinden. Das Loch in ihrer Mitte war verschwunden. Diane fühlte sich wieder wie ein Mensch, wie sie selbst. Sie trank, um den Nachgeschmack von Erbrochenem aus ihrem Mund zu bekommen. Das Wasser rann ihre Kehle hinab, dann ihre Speiseröhre - und es blieb im Magen! Sie saugte aus dem anderen Schlauch Nahrung, schluckte sie gierig hinunter. Hunger. Sie hatte vergessen, was Hunger war. Ihr Magen tat, wofür er existierte und was er seit langer Zeit nicht mehr ohne Protest getan hatte: Er machte sich daran, die Nahrung zu verdauen.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte Atsatun. »Geht es dir besser?«
    »Ja. Ich glaube schon.« Mehr getraute sich Diane nicht zu sagen, als könne sich ihr unverhofftes Glück in Luft auflösen, wenn sie es herausschrie.
    Pasong hatte sich doch nicht an ihr rächen wollen. Er hatte ihr keine Falle gestellt. Seine Pille schien sie zu heilen. Ein Wunder. Es war ein Wunder. Gesund würde sie Melvin gegen übertreten. Ihr Zusammenkommen würde nicht nur ein flüchtiger Augenblick der Leidenschaft sein, bevor der Krebs sie endgültig auffraß. Nein. Sie und Melvin hatten wieder eine Zukunft. Jahre lagen vor ihnen. Schöne Jahre!
    Sie setzten ihren Weg fort, bis Melvins Stern das gesamte Display einnahm. Diane hielt an. »Hier muss es sein«, sagte sie. Merkwürdig. Der Stern strahlte hell, ohne sie zu blenden. Sie konnte ohne Mühe durch ihn hindurchsehen, nur dass alles in ein gnädiges, goldenes Licht getaucht

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