Alien Earth - Phase 3
Süßwasser, das den See füllte, rettungslos vor sich hin. François gab dem Spuk ein paar Jahre bestenfalls, dann würde das Schloss absaufen
und auf den Grund des Sees sinken, ohne eine Spur hinterlassen zu haben.
Lachhaft, beschloss François, als der Verband der Ekranoplane an dem schwimmenden Schloss anlegte und Mahmut al-Shalik ihn auf das rostende Konglomerat einlud, das von nun an der Ort seiner Gefangenschaft sein würde. Der Ägypter war so stolz auf sein Werk, dass er für dessen Schäbigkeit blind war. François schloss immer wieder die Augen, während ihn Mahmut herumführte, lauschte dem Ägypter. Mit geschlossenen Augen glaubte er sich auf einem fantastischen Schloss, dem gebührenden Mittelpunkt eines Landes der Wunder. Öffnete er die Augen wieder, traf ihn die Schäbigkeit der Realität wie ein Schlag in den Magen. Er hatte niemals zuvor einen Menschen getroffen, bei dem die eigene Wahrnehmung und die Welt, wie sie tatsächlich war, so weit auseinanderlagen. Alles zusammengenommen, war al-Shalik eine tragische Gestalt, und François, der einen Sinn für Tragik besaß, hätte gebannt sein Schicksal verfolgt, mit ihm gefühlt und gelitten - wenn der Ägypter nicht ausgerechnet ihn, François, dazu auserkoren hätte, seine fantastischen Pläne umzusetzen.
Lachhaft, sagte sich François, als er merkte, dass die Besatzung des Schlosses - oder sollte er sie Bewohner nennen? - ihre freie Zeit damit verbrachte, leckende Pseudo-Alienkreuze zu flicken und zu erneuern.
Lachhaft?, fragte sich François, als Mahmut ihn am dritten Tag zu einem Rundflug über sein Wunderland bat. Sie bestiegen ein Wasserflugzeug, einen propellergetriebenen Zweisitzer, beinahe schon unpassend gewöhnlich für Mahmut den Prächtigen. Der Flug dauerte beinahe den ganzen Tag und führte über die großen Seen Ostafrikas: Sie alle gehörten Mahmut dem Prächtigen, ihm allein. Es war ein merkwürdiges Land. Es war bedeckt von Wäldern und Savannen, die unberührt und uralt wirkten und doch das Produkt genmodulierter Rekultivierungsprogramme darstellten, keine zwei Jahrzehnte alt. »Der bescheidene Anfang«, wie Mahmut
es in seiner Pseudo-Bescheidenheit nannte. Merkwürdige Tiere bevölkerten das Land. François sah, was er mit Afrika verband: Herden von Elefanten und Antilopen überall, faule Löwen, die im Schatten einzelner Bäume schliefen. Doch das Vertraute war in der Minderheit, stellte bestenfalls eine Rettungsleine dar, an die sich François klammern konnte. Dinosaurier - gen-modulierte Fantasiewesen oder aus DNA-Spuren rekonstruierte - dominierten die Steppen. Die Vögel, die ihr zweisitziges Wasserflugzeug zeitweise begleiteten, waren fliegende Echsen, und über die Baumwipfel huschten Wesen, die François für Affen gehalten hätte, wären da nicht die acht Glieder gewesen, mit deren Hilfe sie sich von Ast zu Ast warfen.
Das Wunderlichste an Mahmuts Wunderland aber waren die Menschen. Es gab nur wenige von ihnen, und die wenigen, die es gab, suchten Zuflucht in kleinen Gemeinschaften. Sie hatten es sich in den Wipfeln der Baumriesen eingerichtet, die über die Steppe verstreut waren. Möglicherweise lebten auch welche in den Wäldern, aber sie blieben François’ Blicken verborgen.
Als al-Shalik sah, dass François die Menschen bemerkt hatte, ging er tiefer und ließ das Flugzeug um einen bewohnten Baum kreisen. Die Menschen schrien laut, drohten ihnen mit groben Speeren und warfen dem Flugzeug Steine hinterher. Sie waren so schmutzig und ihre Haare so lang, dass sie Affen zum Verwechseln ähnlich sahen.
»Was soll das sein?«, fragte François. »Selbst gezüchtete Urmenschen, um der Szenerie eine menschliche Note zu geben?«
»In etwa.« Al-Shalik strich sich über den Oberlippenbart.
»Was heißt das? DNA aus Ausgrabungen?«
»Nein. Das da sind gewöhnliche Menschen. Sie tragen dieselben Gene wie Sie und ich.«
»Was machen sie dann hier?«
»Sie überleben. Zumindest versuchen sie es. Sie sind ganz auf sich selbst angewiesen. Sie besitzen nur ihre eigene Klugheit
und Zähigkeit und die Werkzeuge, die sie selbst herstellen können. Sie mussten sich schriftlich dazu verpflichten, bevor sie in mein Wunderland eingelassen wurden. Versto ßen sie gegen das Verbot, so verstoße ich sie wieder.«
»Diese Menschen sind freiwillig hier? Das glaube ich nicht!«
»Glauben Sie, was Sie wollen.« Der Ägypter zuckte die Achseln. »Ich kann Ihnen nur sagen, dass auf jeden Menschen, den ich einlasse, mehrere hundert
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