Alien Tango
es der beste gewesen, bis Martini mich nach Tahiti mitgenommen
hatte.
Glücklicherweise war der Highway gerade wirklich wie ausgestorben,
ich war eine gute Fahrerin und kannte die Strecke, und nur deshalb musste ich
trotz der Sturzbäche, die mir übers Gesicht flossen, nicht anhalten. Warum nur
hatte Chuckie mich nicht sieben Monate früher gefragt? Natürlich hätte er mir
dann nie die Wahrheit darüber sagen können, was er zwischen seinen wundersamen
Geldvermehrungen und den Weltreisen so trieb. Und genauso, wie er es bei mir
immer gewusst hatte, wenn ich ihn anlog, hätte auch ich, Begriffsstutzigkeit
hin oder her, gewusst, dass er mir etwas verheimlichte. Etwas, das er mir vor
sieben Monaten niemals hätte sagen dürfen. Und das hätte immer zwischen uns
gestanden.
Und vielleicht hatte er sich ja die letzten Monate von mir
ferngehalten, weil er gewusst hatte, dass ich mit Martini zusammen war.
Bedeutete das, dass er auch von unserer Trennung gewusst hatte? Oder hatte er
einfach einen allerletzten Versuch gestartet?
Er hatte mit meiner Mutter telefoniert. Sie mochte ihn, also hatte
sie ihm vielleicht gesteckt, dass ich vergeben war, und ihn ermuntert, einen
letzten verzweifelten Versuch zu starten. Immerhin hatte er zuerst
nachgeschaut, ob ich einen Ring trug, und wenn ich bereits verlobt gewesen
wäre, hätte er es bestimmt als einer der Ersten erfahren. Und er hatte einen Heiratsantrag
während des Klassentreffens für romantisch gehalten, vielleicht hatte er ja
angenommen, Martini könnte es genau so sehen. Aber alle diese Theorien setzten
einigen Planungsaufwand voraus, während sich möglicherweise auch einfach alles
gut ergeben hatte. Falls man an der momentanen Situation denn irgendetwas »gut«
nennen konnte.
Was, wenn es so vorgesehen war? Dass er in genau dem richtigen
Moment auftauchte und sagte: »Hier bin ich. Ich bin der Richtige für dich.« Ich
versuchte, mir das vorzustellen. Leicht war es nicht, aber ich zwang mich, es
wenigstens in Erwägung zu ziehen. Das war immerhin besser, als zu weinen oder
zu überlegen, was wohl mit mir passieren würde, wenn Reid mich erwischte, bevor
ich eine Schleuse erreichte. Außerdem war der Highway hier nicht mehr leer, und
eine Lastwagenkolonne überholte man besser in Gedanken versunken als in Tränen
aufgelöst.
Ich versuchte, die Sache logisch anzugehen, und wägte alle Vor- und
Nachteile gegeneinander ab. Es war nicht allzu schwierig, meine beschränkten
Möglichkeiten durchzugehen. Mal abgesehen von Martini kannte ich nur noch zwei
Männer, mit denen ich mir eine glückliche Langzeitbeziehung vorstellen konnte,
und das waren meine besten Freunde, Reader und Chuckie. Da Reader leider schwul
war und offensichtlich auch in naher Zukunft nicht bi werden würde, egal, wie
viele Scherze wir darüber rissen, war er aus dem Rennen.
Chuckie war weder schwul noch außerirdisch. Mit ihm würde es
keinerlei Schwierigkeiten geben. Niemand hätte etwas dagegen, wenn wir
heirateten. Unsere Familien wären begeistert, die Religion wäre kein Problem,
und auch mit dem Erbgut unserer zukünftigen Kinder gäbe es keine
Schwierigkeiten. Keine Sorgen mit Bildwandlern, Empathen oder sonst irgendetwas.
Das Schlimmste, was passieren konnte, war, dass wir unseren Kindern
intelligenzmäßig vielleicht nicht gewachsen waren, aber da Chuckies Eltern es
anscheinend irgendwie mit ihm hingekriegt hatten, würden wir es wohl auch
schaffen.
Der Aufrichtigkeit halber zwang ich mich dazu, mir all meine
Beziehungen vor Martini in Erinnerung zu rufen. Es waren nicht wenige. Aber die
längste Zeit hatte ich immer noch mit Brian verbracht. Besonders nach der
Vegas-Reise mit Chuckie war da nichts Ernstes mehr gewesen. Es schien einfach
keiner zu mir zu passen, also blieb ich nie lange.
Was folgende offensichtliche Frage auf den Plan rief: Hatte ich
vielleicht immer schon auf Chuckie gewartet, ohne es zu merken? Blöd genug für
so was war ich ja, das musste ich zugeben. Ohne Frage verglich ich andere Männer
mit ihm, das hatte ich immer schon getan.
Bedeutete das vielleicht, dass alles nur passiert war, damit ich
endlich begriff, dass Chuckie tatsächlich der Richtige für mich war? Und wenn
es so war – hatte dann einfach der Zufall gewirkt, oder war es am Ende
göttliche Fügung? Chuckie glaubte nicht an Zufälle, und ACE hatte gesagt, die göttliche Fügung bestehe darin, dass wir selbst klarkommen
mussten.
Als der Highway endlich wieder leer vor mir lag, flüsterte mir eine
innere
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