Alien vs. Predator
vielleicht waren sie auch das, wonach sie aussahen: die Predatorenversion von Haaren.
Die zangenähnlichen Kieferwerkzeuge um den Mund des Predators waren auch so ein evolutionäres Rätsel. Sie ähnelten eher den Merkmalen von Wasserlebewesen als denen eines Tieres, das sich an Land bewegt. War Scar eine Amphibie? Wenn er das war, würde es immer noch nicht diese Kieferscheren erklären. Insekten kauten mit Kieferscheren, aber zum Kauen hatte Scar Zähne. Manche Insekten – oder waren es Spinnentiere? – benutzten ihre Kieferwerkzeuge auch als Sinnesorgane, aber das ergab für Lex ebensowenig Sinn.
Waren sie ein atavistisches Attribut, das seinen biologischen Nutzen verloren hatte, so wie der Blinddarm beim Menschen? Oder dienten sie vielleicht der Fortpflanzung oder einem Begattungsritual. Ein beunruhigender Gedanke, aber nach allem, was Lex über Biologie wusste, war Gewalt während der Kopulation nicht unüblich bei den Spezies der Erde.
Die Hände des Predators ähnelten deutlich reptilischen Gliedmaßen. Lange, schlanke Finger, zum Teil mit Schwimmhäuten verbunden, mit zwei Mittelfingern, die um einiges länger waren als die anderen. Aber es gab auch Unterschiede. Reptilien besaßen Nasenlöcher, auch wenn sie keine Nasen hatten, und manche Reptilienspezies besaßen Geruchsorgane in ihren Zungen. Scar hatte einen flachen, harten Kamm an der Stelle, wo seine Nase sitzen sollte, und konnte keine Atemschlitze ausfindig machen. Ebenso unsicher war sie sich, ob der Predator überhaupt eine Zunge hatte. Predatoren hatten auch keine Schwänze. Und trotz ihrer furchteinflößenden Fähigkeiten als Krieger bezweifelte Lex, dass sie ihre Gliedmaßen oder Finger nachwachsen lassen konnten wie etwa ein Salamander.
Lex bemerkte das Netz, das Scar unter seiner Rüstung trug, und wie sorgfältig der Predator darauf achtete, so wenig wie möglich von dem Material zu entfernen. Ein deutlich zerrissenes Stück legte er jedoch in Reichweite von Lex ab. Als er wieder anderweitig beschäftigt war, hob Lex die Maschen beiläufig auf und betastete sie. Es war eine Art biegsames Metall und richtiggehend heiß. Noch sonderbarer war die Tatsache, dass es auch dann noch heiß blieb, nachdem es von seiner Energiequelle und von Sears Körperwärme – wenn er denn welche hatte – getrennt war. All das brachte Lex zu der Schlussfolgerung, dass das Netz eine Art Heizquelle war und für Scar wohl einen ebenso überlebenswichtigen Teil seiner Ausrüstung darstellte wie die Aqualunge für einen Tiefseetaucher.
Wenn sich die Predatoren aus einer Art außerirdischer Reptilie entwickelt haben sollten, waren sie wahrscheinlich exotherm, was bedeutete, dass ihre Körpertemperatur von den äußeren Klimaeinflüssen abhing.
Säugetiere erzeugten ihre Körperwärme selbst, aber Reptilien waren für ihre Wärmeregulierung und einen ausgeglichenen Stoffwechsel auf die Außentemperaturen angewiesen. Deswegen gediehen Reptilien auch in heißen Klimagegenden und mieden Orte wie die Polarregionen. Tatsächlich konnten sogar merkwürdige Dinge geschehen, wenn eine Reptilienspezies einer kalten Umgebung ausgesetzt war. Sie wurde träge und verlor ihre Aggressivität und manchmal brachten Weibchen sogar lebenden Nachwuchs zur Welt anstatt Eier in einem Nest zu legen, aus denen später die Jungen schlüpften.
Bei zu lange anhaltender intensiver Kälte konnten Reptilien auch sterben und Lex bemerkte mehrere Stellen rauher, geplatzter Haut an Sears Händen, die den Frostbeulen ähnelten, die im eiskaltem Wetter bei Menschen auftreten. Lex war zwar keine Expertin auf dem Gebiet der außerirdischen Biologie oder der Herpetologie, aber es sah nicht so aus, als könne sich Scar in dem brutalen Klima der Antarktis gut halten.
Bald machte sich Lex auch Sorgen um ihre eigene Gesundheit.
Zum einen wusste sie, dass sie sich mit dem „Mars-Effekt“ auseinandersetzen musste – ein Ausdruck, der von einem Professor für außerirdische Biologie an der Carnegie-Mellon-Universität geprägt worden war, in Anlehnung an den Roman Krieg der Welten von H. G. Wells. Sowohl die Predatoren als auch die Aliens waren potenzielle Träger von gefährlichen Giften oder exotischen Viren- und Bakterienstämmen, gegen die sie längst immun waren, die Menschen jedoch nicht. Uralte Bauwerke wie die Pyramiden konnten diese Gefahr ebenfalls bergen: Ein lange im Grab von Tut-Ench-Amun eingeschlossener Bakterienstamm hatte die Zahl der Archäologen, die den Ort entdeckt hatten,
Weitere Kostenlose Bücher