Aliens in Armani: Roman (German Edition)
schüchtern. Er war der Jüngste, zwischen ihm und seinen Schwestern gibt es eine große Alterlücke. Christopher hat immer gesagt, wo es langgeht, und Jeff mitgeschleift. Christopher war ein echter Halunke, und Jeff hat immer gesagt, sie sollten dies oder das lieber nicht tun.«
Das klang so ganz und gar nicht nach den beiden. »Waren sie viel zusammen?«
»O ja«, erwiderte Claudia. »Jeffs Eltern haben keine besonderen Begabungen, es war schwierig für sie, einen Empathen großzuziehen.«
»Meine Mutter meint, Christophers Mum hätte Jeff unter ihre Fittiche genommen. Sie war auch eine Empathin, sie hat verstanden, was Jeff durchgemacht hat. Empathen haben es schwer, bis sie älter sind und gelernt haben, alles abzublocken, und Jeffs Talent ist schon so früh aufgetreten, für ihn war es noch schlimmer als für andere.«
Ich dachte daran, wie Martini im Konferenzraum mit mir und später bei meinen Eltern gewirkt hatte. Wie schlecht es ihm gegangen war und wie krank und verletzlich ihn unsere Gefühle gemacht hatten. Ich konnte mir vorstellen, wie schlimm das alles erst für einen kleinen Jungen sein musste. Er spürte genau, wenn seine Eltern wirklich wütend waren, wenn jemand ihn nicht leiden konnte oder wenn es jemandem nicht gut ging.
»Also hat er viel Zeit bei seinem Onkel und bei seiner Tante verbracht?«
»Bei seiner Tante, ja. Richard war schon unser Hoher Pontifex, bevor wir auf die Erde gekommen sind, also schon vor unserer Geburt. Seine Pflichten haben ihn meistens sehr in Anspruch genommen.« Claudia seufzte.
Wir verließen die Schleuse und befanden uns in einer Wüstengegend. In der Ferne umschlossen Berge das Gebiet.
»Soweit ich weiß und mich erinnern kann, war es schwierig für sie alle. Aber Theresa war Leiterin der Diplomatischen Abteilung und auch sehr beschäftigt.«
»Sie lebten auf dem Oststützpunkt, und Jeff war die meiste Zeit dort. Wir haben auch dort gewohnt, bis wir versetzt wurden«, erklärte Lorraine. »Fahr James nach, ich glaube, er möchte weg von der Schleuse.«
»Und nach ihrem Tod haben sie sich verändert?«
»Meine Mutter sagt, sie waren schon am nächsten Tag nicht mehr dieselben.« Lorraine kniff die Augen zusammen. »Schaukelt ihr Auto da vorne?«
»Ich weiß nicht, es könnte auch der Boden sein, es ist ziemlich holperig hier.«
Ein Trauma konnte einen definitiv verändern. »Christopher hat sich also in sich selbst zurückgezogen und Jeff hat angefangen, sich um ihn zu kümmern? Sie haben die Rollen getauscht?«
»Genau. Meine Mutter meint, es war, als hätten sie über Nacht die Persönlichkeiten gewechselt. Christopher ist seit dem Tod seiner Mutter nie wieder derselbe geworden. Jeff ist manchmal auch still, so wie früher, aber Christopher ist …«
»… wie sein Vater geworden«, beendete Claudia den Satz. »Als Kind war er seiner Mutter sehr viel ähnlicher. Jetzt ist Jeff eher so wie sie.«
»Sie war also ein Geilspecht?«
Beide lachten. »Nein«, stellte Claudia klar. »Aber sie war lustig und aufgeschlossen und einfach jemand, mit dem man gern zusammen war.«
»Ja, das trifft auf Christopher jetzt eindeutig nicht mehr zu.« Ich dachte an sein Gesicht, als er das Bild seiner Mutter entstehen ließ. Er hatte ihren Tod auch nach zwanzig Jahren noch nicht überwunden. Ich konnte es verstehen. Ich wollte meine Mutter auf keinen Fall verlieren, und schon der Gedanke daran, dass ihre geheime Identität sie hundertmal das Leben hätte kosten können, als ich noch ein Kind war, jagte mir einen Schauer über den Rücken.
»Meine Mutter sagt, Jeff war für Theresa wie ein zweiter Sohn. Sie mochten sich sehr. Sie hat ihm alles darüber beigebracht, wie er mit seinen empathischen Kräften klarkommen konnte. Wahrscheinlich konnte er deswegen auch Leiter der Einsatzabteilung werden und es so lange bleiben, wegen ihres Trainings.«
Das war schwierig zu glauben, er war immerhin erst zehn gewesen, als sie starb. Die Grundlagen hatte sie ihm vielleicht beibringen können, aber die Zeit hatte doch wohl kaum für eine komplette Ausbildung in Empathiekräften gereicht. »Hatten die beiden immer schon so starke Kräfte?«
»Ja, aber nach Theresas Tod haben sie sich bei beiden noch verstärkt. Nicht dass sie das zuerst groß interessiert hätte. Für Richard war es auch sehr schwierig. Die Jungs haben ein paar Monate bei Jeffs Eltern gelebt.«
»Er ist kaum über diesen Verlust hinweggekommen, das hat mir auch meine Mutter erzählt. Er hat nicht wieder
Weitere Kostenlose Bücher