Alison Wonderland
Grundschule. Sie hatte eine Collage gemacht, indem sie ein Foto von sich selbst, eins von mir und eins von einem Baby aus einer Zeitschrift auf ein Stück A4-Papier klebte. Wir schweben zusammen in einer körperlosen Gruppe, überlagert von einem Blick auf Weymouths Küste, ausgeschnitten aus einem Touristen-Infofaltblatt.
»Ist das wie einer dieser Zaubersprüche von Athena Starwoman? Ich habe eines ihrer Bücher gesehen und jeder Zauberspruch beginnt mit: ›Nimm zuerst ein Bad oder eine Dusche.‹ Ich dachte, das sei vielleicht eine raffinierte Art, Mädchen im Teenageralter dazu zu bringen, sich öfter zu waschen.«
»Das ist keine Magie, es geht nur darum, die Macht des Geistes zu benutzen. Du visualisierst etwas und verwirklichst es. Wenn du daran glaubst, bist du schon auf halbem Weg, dass es wirklich passiert.«
Ich gehe zum Auto, studiere die Karte und fahre dann weg von der Küste, ungefähr fünf oder sechs Meilen in Richtung der Gebäude, die einmal Wissenschaftler beherbergt haben, die Waffen für Atom-U-Boote herstellten. Die Straßen sind verrückt in diesem Teil des Landes. Alle paar Meilen gibt es einen Kreisverkehr, gerade so, als wären die Straßenplaner nicht glücklich gewesen bei dem Gedanken, dass irgendjemand in einer geraden Linie von A nach B kommen könnte (»keiner von euren schicken Londoner Wegen in dieser Gegend«). Ich erreiche mein Ziel, schwindelig nach dem dritten Kreisverkehr.
Es gibt keine Straßenbeleuchtung, die Straßen sind ausgestorben. Ich bezweifle, dass die Gebäude leer stehen; sie sind immer noch sehr gut geschützt. Die Büros, Labore und eine Reihe von Gebäuden, die wie Stallungen aussehen, sind umgeben von Zäunen mit Stacheldraht, die mindestens zehn Fuß hoch sind. Keine Chance, selbst solche Lowtech-Sicherheitsvorkehrungen zu überwinden.
Ich habe mich damit abgefunden, einen ergebnislosen Bericht zu erstellen, der nahelegt, dass ich, obwohl die Sicherheitsvorkehrungen suggerieren, die Gebäude seien noch immer in Gebrauch, keinerlei Beweise liefern kann, wer sie benutzt oder warum. Dann fällt mein Blick auf einen blassen Schein, der aus einem Erdgeschossfenster in einem der Bürogebäude fällt. Ich nehme mein Nachtsichtgerät hervor und spähe sehr angestrengt in das Fenster.
Ich sehe einen Mann, der von der Taille ab nackt ist, sein Penis hängt wie ein langer, dünner Wurm von seinem Körper. Eine Frau kommt ins Bild und zerrt an ihm wie ein Huhn, hungrig nach Nahrung. Es ist das erste Mal, dass ich unseren Feind Bird sehe. Ich ergreife die Gelegenheit und fotografiere das einzige Merkmal an ihm, das mir als vogelgleich auffällt oder irgendeine Verbindung zu Vögeln hat, seinen Penis. Die Frau bei ihm ist seine Klientin, Miss Lester, Leiterin des Dienstleistungsbereichs bei Emphglott. Es ist eine Erleichterung für mich, dass Mrs. Fitzgerald unsere Agentur nach traditionellen Richtlinien führt, die nur Geld als Zahlungsmittel akzeptieren.
Kapitel 16 – Der Zigeuner und der Club
Vor dem Frühstück unternehmen wir einen Spaziergang am Strand. Das Meer ist grau. Wie der Himmel. Wie auch Taron, groggy und unglücklich, weil sie so früh aufgestanden ist. Taron sammelt Kieselsteine und glatte Glasstückchen, die sie am Strand findet.
»Warum sammelst du das Glas ein?«, frage ich.
»In unserer Welt ist es Glas, aber im Schattenreich entspricht es Diamanten.«
»Richtig.«
Weymouth ohne Sonnenschein ist deprimierend. Unsere Schritte hallen wider, als wir durch die Stadt zurück zum Hotel laufen. Fahnen hängen von den Laternenpfählen herunter; ausgeschaltete Lichterketten sind entlang der Promenade bis hinter den Uhrturm gespannt. Die Stadt ist herausgeputzt wie für eine Party, bevor irgendjemand kommt, diese heikle Stunde, in der man sich fragt, ob überhaupt jemand aufkreuzen wird. Wir schlendern am Lieferanteneingang von Marks & Spencer vorbei, an den engen Souvenirgeschäften mit fröhlich gestreiften Markisen, in denen es Eis und Muscheln zu kaufen gibt. Der Duft von frischem Brot ist atemberaubend, als wir an einer Bäckerei vorbeilaufen – der Geruchscheint das einzig Lebendige in dieser Stadt zu sein. Wir halten kurz an, um durch das Fenster nach den nussbraunen Brotlaiben, den langen Weißbroten, den Kastenweißbroten, den kleinen, runden Broten und den Cremetorten zu spähen. Kein Ciabatta weit und breit. Bei dem Brotduft bekomme ich Gelüste; wenn wir nur den Geruch in Jeffs Werbung einbringen könnten, würden wir alle sechs
Weitere Kostenlose Bücher