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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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ließ den Blick begierig über vertraute Landmarken schweifen und schwelgte in Erinnerungen an die Menschen, die er dort zurückgelassen hatte.
    »Seht Ihr das?«, fragte er und legte die Karte vorsichtig auf eine freie Stelle auf dem Tisch. »Diesen Fluss hier? Da bin ich zum ersten Mal auf einem Boot gefahren.« Strell lächelte verlegen. »Während der gesamten drei Tage, die wir bis zum Delta gebraucht haben, war mir übel. Eigentlich hätte ich mir die Passage damit verdienen sollen, die Mannschaft zu unterhalten.«
    »Aber Ihr wart seekrank?« Rema suchte weiter. »Wie unangenehm.«
    »Die meiste Zeit habe ich mit dem Kopf über der Reling verbracht. Die Passagiere und die Mannschaft fanden es sehr erheiternd. Ich hatte kein Geld, um die Fahrt zu bezahlen, doch der Kapitän erklärte, ich hätte mir die Passage trotzdem verdient, obwohl ich während der gesamten Reise keinen einzigen Ton gespielt habe.«
    »Wie gütig von ihm«, erwiderte die Frau geistesabwesend.
    »Eigentlich nicht. Er sagte, ich sei sehr unterhaltsam gewesen. Sie hätten noch nie erlebt, dass jemand so lange so grün im Gesicht war.«
    Rema lächelte und blickte zu ihm auf.
    »Und hier, seht Ihr«, sagte er und deutete wieder auf die Karte. »Hier habe ich den ersten Winter verbracht. Ich habe bei einem Schmied gewohnt und den Blasebalg bedient, wenn der Wind gerade ungünstig stand.« Strell spürte, wie ein Lächeln seine Mundwinkel hob. Die Tochter des Schmieds war eine wahre Freude gewesen.
    »Und hier«, fuhr er fort, beinahe zu sich selbst. »Hier habe ich gelernt zu fischen, und das ist der Strand, an dem ich zugesehen habe, wie ein Mann über glühende Kohlen gelaufen ist.«
    »Durchs Feuer, meint Ihr?« Rema legte ihre Karte beiseite und spähte ihm über die Schulter.
    »Ja. Barfuß. Das machen sie jedes Jahr.« Strell zeigte ihr die kleine Bucht. Sein Blick wurde nachdenklich, während Rema sich dichter über den Tisch beugte. So eine Karte zu besitzen würde seine Geschichten glaubhafter machen, und man würde ihn für seine Erzählungen umso besser bezahlen.
    »Dies«, sagte er langsam, »ist eine sehr gute Karte.« Er zögerte und spürte ein Kribbeln der Erregung. Tiefländer lebten für den Handel. Wenn beide Teilnehmer an einem solchen Geschäft geschickt im Feilschen waren, ähnelte es einem förmlichen Tanz. Mit anderen Leuten zu handeln war eher so, als wolle man mit einer Ziege tanzen. Er hatte dieses Spiel schon seit einer kleinen Ewigkeit nicht mehr mit einem seiner Landsleute gespielt. »Aber sie ist leider etwas klein«, fügte er hinzu und verlieh seinen Worten genau den Tonfall, der anzeigte, dass er vorfühlen wollte, ob sie eventuell bereit wäre, sich davon zu trennen.
    Die Frau zuckte zusammen, und Strell war sicher, dass er gehört hatte, wie ihr der Atem stockte.
    »Ja«, sagte sie gedehnt, und ihr Blick huschte kurz zu ihm hinüber, bevor sie sich wieder desinteressiert gab. »Mein Mann hat immer am Leder gespart. Seht Ihr, wie ungleichmäßig der Rand hier ist?«
    Strells Herz schlug schneller, und obwohl das ein kleiner Fehltritt war, erlaubte er sich ein Lächeln. Offensichtlich vermisste auch Rema die Erregung eines richtigen Handels. »Ich verstehe«, murmelte er, rollte die prachtvolle Karte vorsichtig zusammen und legte sie vor sie beide auf den Tisch. »Meine Mutter ist genauso. Ich bringe ihr ein einfaches Stück Stoff von der Küste mit. Gerade genug, um ein Tuch daraus zu machen, doch sie wird zweifellos versuchen, sich einen Umhang daraus zu schneidern.« Er zögerte und sagte mit der angemessen förmlichen Stimmlage: »Möchtet Ihr es vielleicht einmal sehen? Das Muster eines hässlichen Fischs ist hineingewebt. Wahrlich das unansehnlichste Stück Stoff, das mir je unter die Augen gekommen ist.«
    Rema nickte. Ihre Wangen waren gerötet. Sie beide wussten: Je hässlicher er die Seide beschrieb, desto eleganter war sie vermutlich. Natürlich war das gerade der Spaß an diesem Spielchen.
    Strell verkniff sich ein Grinsen, öffnete sein Bündel und holte den Stoff heraus, der für seine Mutter gedacht war. Er würde ihr stattdessen seinen Spiegel schenken. Er hielt Rema den Rücken zugekehrt, während er den Stoff entfaltete, und wirbelte dann rasch herum, so dass die Seide sich über den Tisch breitete und all die Karten in prächtigen Wellen überdeckte.
    »Oh«, seufzte Rema und ließ einen Moment lang ihr Begehren erkennen. Das war gestattet. Es war ein großes Kompliment, das der kluge

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