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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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aussah. Der Hof war sauber und ordentlich, die Zäune bemalt, die Äcker frei von Unkraut, wenn auch kahl, so kurz nach der Ernte. Auch auf dem nächsten Hof war alles still, bis auf einen wild bellenden Hund. Die Schafe standen in einem Pferch nahe der Scheune. Allmählich fragte er sich, warum es überall so ruhig sein mochte, doch dann begegnete ihm ein Karren, der mühsam den Berg heraufrumpelte.
    Auf der Ladefläche befand sich statt Obst und Gemüse eine Gruppe Erwachsener und Kinder. Sie wirkten gut genährt und zufrieden und beäugten ihn argwöhnisch, als sie an ihm vorbeifuhren. Mehrere in Stoff gewickelte Päckchen bildeten hinter dem Kutscher einen bescheidenen Haufen. Nun erkannte Strell, warum die Höfe so leer waren. Es war Markttag, die einzige Gelegenheit, bei der sich Hochländer und Tiefländer begegneten.
    Im Lauf vieler Jahre hatte sich ein empfindliches Gleichgewicht zwischen den beiden Kulturen entwickelt. Das Vorgebirge bot fruchtbaren Boden für Ackerbau und Viehzucht. In der Ebene hatte man die Rohmaterialien und die Zeit, Güter herzustellen. Die beiden Gruppen handelten miteinander, tauschten den Ertrag der Erde gegen das, was Webrahmen, Töpferscheibe und Schnitzerei hervorbrachten. Dieser notwendige Handel schürte aber auch einen unterschwelligen gegenseitigen Hass, denn jeder versuchte den Preis des anderen so weit zu drücken, wie es nur ging. Doch man achtete sorgsam darauf, dass Händel nie mit den Fäusten ausgetragen wurden. Den Waffenstillstand wagte niemand zu gefährden.
    Strell lächelte knapp und sah darüber hinweg, dass einer der Männer ihm vor die Füße spuckte. Heute, ausgerechnet, war einer der seltenen Tage, da er sich in einem ihrer Dörfer aufhalten konnte, ohne allzu große Aufmerksamkeit zu erregen, und vielleicht würde er sogar noch etwas verdienen, wenn er hier ein paar seiner neuesten Melodien ausprobierte. Schließlich würden auch andere Tiefländer hier sein, und sie würden dafür bezahlen, seine Musik zu hören.
    Als die Sonne dem Horizont entgegensank, wurden die Felder immer weniger und die Zäune zahlreicher, bis Strells Weg statt unter Bäumen zwischen strohgedeckten Häusern entlangführte. Der Weg wurde glitschig und matschig, und nach den vielen Wochen in den Bergen wollte ihm der Gestank vieler Menschen in der Kehle stecken bleiben. Ohne den Dorfbewohnern in die Augen zu sehen, marschierte er zielstrebig den Weg entlang auf den Platz zu, wo die Wagen aufgebaut sein würden. Die meisten Hütten, an denen er vorbeikam, waren recht klein. Festgetretene Erde und Unkraut bildeten kleine Streifen zwischen den Häusern. So gar nicht wie der saubere Sand seines Heimatlandes. Strells Gedanken schweiften erwartungsvoll in die Ferne. Im Tiefland hatte man so viel Platz. Man konnte den Horizont sehen, wohin man sich auch wandte.
    Strell ging an einem Haus vorbei, an dessen Tür sich zwei ärmlich gekleidete Kinder herumdrückten, die ihn beobachteten und hinter vorgehaltener Hand flüsterten. Er biss die Zähne zusammen. Er hatte schon beinahe vergessen, wie es im Hochland war. Seine sechs Jahre an der Küste waren ein Segen gewesen. Dort sahen alle anders, verschieden aus. Niemand konnte einem ansehen, wo man herkam, bis man den Mund aufmachte. Und selbst dann waren alle begierig auf Neuigkeiten. Die Küstenbewohner mochten abergläubisch und verschroben sein, aber sie hatten ihn als ihresgleichen aufgenommen, und er war nicht erpicht darauf, wieder zu alten Mustern und fest gefügten Verhaltensweisen zurückzukehren.
    Strell schob sein Bündel ein wenig höher, und Zorn wallte in ihm auf. Er durfte nicht vergessen, auf jeden seiner Schritte zu achten. Markttag hin oder her, er war hier nicht willkommen. Je schneller er das Tiefland erreichte, umso besser.
    Ein schwer beladener Wagen blieb knapp vor ihm stehen, und Strell rutschte aus, als er abrupt anhalten musste. Er wäre beinahe in den Matsch gefallen, fing sich aber gerade noch. Drei Hochland-Mädchen, blass und farblos, kicherten hinter vorgehaltener Hand. Mit brennenden Wangen rückte Strell sein Bündel zurecht. Ihre Kleider hätte man im Tiefland höchstens als Lumpen benutzt. Doch sie waren gut genährt, und Strell spürte einen neidvollen Stich. Er hatte als kleiner Junge nie hungern müssen, doch das konnten im Tiefland nicht viele behaupten.
    Der Lärm des Marktes wurde lauter, und Strells Ärger wurde von zahlreichen Erinnerungen verdrängt. Er war damit groß geworden, die Waren seines Vaters

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