Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
öffne diese Tür.«
»Hm!« Connen-Neute war plötzlich hellwach. »Ich komme.«
Alissa ging im Flur auf und ab und wurde noch zorniger, als sie merkte, dass ihre Schritte sich dem Rhythmus der Musik angepasst hatten. Nach scheinbar unverschämt langer Zeit erschien Connen-Neutes Licht am Ende des Flurs. »Na endlich«, flüsterte sie, als er taumelnd neben ihr zum Stehen kam und die Tür berührte.
»Alissa«, murmelte er, nur halb wach. »Da ist niemand drin. Das ist mein Bann, ich habe die Tür verschlossen.«
»Asche!«, rief sie. »Die Musik macht mich mondsüchtig. Kannst du sie nicht hören?«
Verwirrt schüttelte er den Kopf. Eine Resonanz blitzte auf ihren Pfaden auf, zu schnell, um sie sich einzuprägen, als er den Bann von der Tür nahm. Triumphierend stieß sie die Tür auf und fand … nichts. Das Zimmer war leer. Doch die Musik war noch da.
Der Pfeifer begann nun eine schmerzlich vertraute Melodie zu spielen, und Alissa schnappte nach Luft, als sie sie erkannte. »Das ist mein Lied!«, rief sie und starrte Connen-Neute fassungslos an. »Das Lied, das Strell für mich geschrieben hat!« Und dann war die leere Stelle, die Strell in ihrem Geist hinterlassen hatte, auf einmal nicht mehr leer. »Wo?«, rief sie und wirbelte verzweifelt herum. »Strell! Wo bist du?«
»Alissa! Ich danke allen Sternen, die uns leiten.«
Es war tatsächlich Strell. Sie hörte ihn und geriet in Panik. Das schwache Flüstern seiner Gegenwart schwand. »Nein!«, schrie sie in Gedanken. »Strell! Komm zurück!«
»Hör mir zu«, sagte Strell beruhigend, doch seine Gedanken drangen so schwach zu ihr, dass sie beinahe glaubte, sie sich einzubilden. »Talo-Toecan sagt, dass du dich völlig an deinem stillen Punkt versammeln musst, sonst werden wir alles verlieren.«
Sie rang bebend nach Atem, konzentrierte sich auf die immer dünner werdenden Fäden von Strells Gedanken, sammelte hier einen Strang auf, dort einen anderen, und bemühte sich, seine Präsenz zu irgendetwas zusammenzufügen, das sie festhalten konnte. »Punkt der Stille«, flüsterte sie. Sie sank auf die Knie nieder und schien das Bewusstsein zu verlieren.
– 32 –
C onnen-Neute war wenig überrascht, als Alissa kalkweiß wurde und auf die Knie sank. Ihre wild und verzweifelt um sich blickenden Augen fielen zu, und sie brach zusammen. Das hätte ihn eigentlich erschrecken müssen, doch er hatte sich daran gewöhnt, sehr ungewöhnliche Dinge hinzunehmen, wenn es um Alissa ging. Noch war er nicht besorgt, sondern eher interessiert.
Mit einem letzten, sehnsüchtigen Gedanken an seinen gemütlichen Schlafplatz auf dem Dach der Feste legte er ihrer beider Lichtkugeln auf dem Kaminsims ab und hob Alissa hoch, um sie in den einzigen Sessel im Zimmer zu setzen. Er hüllte sie in ihre Decke und stopfte sie ihr unter dem Kinn fest. Sogleich wurde Alissas Licht schwächer, und er runzelte die Stirn. Das hätte nicht geschehen dürfen. Erlöschen? Ja. Aber nicht schwächer werden. Sie hatte diesen Lichtbann nicht bewusst beendet. Er wirkte weiter, aber mit unfreiwillig geminderter Energie. Erst jetzt dachte er daran, Redal-Stan zu rufen, und seine sanfte, vorsichtige Anfrage wurde mit dem erwarteten Grummeln und Stöhnen erwidert.
»Sofern nicht jemand in Flammen steht, geh weg«, kam der kaum erkennbare Gedanke des Meisters zu ihm zurück.
»Äh, es ist Alissa«, stammelte er und spürte, wie Redal-Stan augenblicklich hellwach wurde. »Ich bin mit ihr im Wohntrakt der Bewahrer. Sie ist zusammengebrochen, offenbar in tiefer Trance. Zumindest glaube ich, dass es ein Trancezustand ist.«
Er wurde nervös. Vielleicht hätte er Redal-Stan sofort Bescheid sagen sollen. »Redal-Stan?«, rief er und drehte sich dann um, als der alte Meister schlitternd auf dem Flur zum Stehen kam. Er wirkte in seinem schlichten Gewand noch gehetzter und zerzauster als sonst. Ohne Connen-Neute eines Blickes zu würdigen, betrat er das Zimmer und legte seine Lichtkugel neben die beiden anderen. Dann kniete er sich stirnrunzelnd vor Alissa.
»Fang ganz am Anfang an«, sagte Redal-Stan angespannt.
»Sie hat sich darüber beklagt, dass jemand in diesem Zimmer Musik macht.«
»Aber du hattest es mit einem Bann verschlossen«, unterbrach der Meister.
»Ja. Ich habe ihr gesagt, dass niemand hier ist, aber Bes– , äh, sie hat darauf bestanden, dass ich herunterkomme und die Tür öffne. « Connen-Neute schüttelte den Kopf. »Sie kann tatsächlich nur Türen öffnen, die gegen
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