Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
enger. »Sie würden misstrauisch werden, vor allem, wenn Margas Kinder als Gemeine erscheinen.« Er runzelte die Stirn. »Nach ein paar Jahren würden sie alles erraten.«
Hoffnungslosigkeit schlug über Lodesh zusammen, und er fühlte sich elend. Sarken war fest entschlossen, fortzugehen. »Dann vielleicht eine kleine Schatulle, wie die, die Ihr für mich mit einem Bann belegt habt, für Sati.« Lodesh errötete schuldbewusst. »Sie könnte sie mitnehmen, als Abschiedsgeschenk«, fügte er hinzu. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht, wenn man sich genötigt sah, seiner Schwester etwas zu schenken, womit sie ihre Kinder verbrennen konnte.
Connen-Neutes Blick wurde nachdenklich. »Das ist besser«, sagte er. »Es wäre auch nicht so leicht mit mir in Verbindung zu bringen.«
Lodesh beobachtete, wie Connen-Neute die Schultern straffte. Seine Sprachgewandtheit hatte sich erneut erstaunlich gebessert, selbst im Verlauf dieser Unterhaltung. Kein Wunder, dass Alissa ihn mochte.
»Keine Schatulle«, sagte der junge Meister leise und schien gar nicht zu bemerken, dass er seine Gedanken aussprach. »Sie wissen, dass ich so etwas schon gemacht habe. Etwas anderes. Etwas Wertvolles, damit es nicht verloren geht. Etwas, mit dem man irgendetwas tut, um den Bann auszulösen und wieder abzustellen. Eine ununterbrochen fortgesetzte Verbrennung, ganz gleich wie sanft, würde auffallen.«
»Ich habe eine metallene Brosche«, schlug Lodesh vor. »Man öffnet sie mit …«
»Für Metall reichen meine Fähigkeiten nicht aus. Holz vielleicht?«
»Euthymienholz«, sagte Lodesh. »Niemand würde einen Gegenstand aus Euthymienholz verlieren. Ich habe etwas, es stammt noch aus der Zeit, als mein Vater glaubte, ich würde später zu schüchtern sein, um eine Frau zu gewinnen.« Sein Blick verschwamm in Erinnerungen. »Poesie, Musik, Fechtkunst, er hat alles versucht, bis er feststellte, dass das Einzige, worin ich gut bin, das Tanzen ist. Ich habe unten eine Flöte, die aus Euthymienholz geschnitzt ist. Sie haben all meine Sachen hierhergebracht.« Lodesh spähte über den Rand des Daches, doch den Boden konnte er im Dunkeln nicht sehen. »Margas Mann ist Musikant, also würde niemand Verdacht schöpfen. Ihr könntet die Flöte noch heute Abend mit dem Bann belegen, und ich schenke sie ihr morgen früh. Das heißt, falls ich hier herunterkomme, ohne mir den Hals zu brechen.«
Connen-Neutes Lippen verzogen sich zu einem verschmitzten Lächeln. Er bedeutete Lodesh, ihm zu folgen, nahm dessen Lichtkugel und hielt sie dicht vor seine Füße. Dann bewegte er sie über das Dach, bis er ein zufriedenes Brummen von sich gab. Lodesh war kaum überrascht, als der Meister einen Teil des Daches beiseiteschob und das obere Fach eines seiner Kleiderschränke zum Vorschein kam.
»Euer Großvater«, sagte Connen-Neute, dem es irgendwie gelang, ein ernstes Gesicht zu wahren. »Er hat gern Karten gespielt.
Talo-Toecan hat sich oft hier draußen mit ihm getroffen, wenn Keribdis – fort war.«
Lodesh blickte hinab auf seine zwei Paar Schuhe, säuberlich aufgereiht auf einem Bord, das offensichtlich auch als Leiter dienen konnte. »Warum überrascht mich das nicht?«
– 38 –
A lissa löste sich mit drei bewussten Atemzügen aus ihrer Trance, aufgeschreckt von einem leisen Klopfen. Das Zimmer war dämmrig. Ihr Rücken war steif und schmerzte, und ihre verkrampften, zerkratzten Finger wiesen mehrere tiefe Schürfwunden auf. Schuldbewusst bemerkte sie, dass sie Redal-Stans Schreibunterlage verschrammt hatte. Sein Umhang war ruiniert. Und in ihren Händen ruhte ein flacher Becher. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
Ein Scharren war im dunklen Durchgang zu hören. Alissa blickte auf und sah Mav, eine Kerze in der Hand und ein Bündel Stoff unter dem Arm. Sie legte alles auf dem Nachttisch ab und streckte die Hand aus. »Darf ich mal sehen?«, fragte sie. Grinsend reichte Alissa ihr den Becher. Mav pustete den Staub von dem Stein und untersuchte ihn gründlich. Es war eigentlich eher eine handtellergroße Schüssel denn ein Becher, klein und flach und ohne Henkel. Strell würde das wohl als Mörser bezeichnen. Sie seufzte bei der Erinnerung an ihn.
»Es ist sehr hübsch«, sagte Mav.
»Danke schön.« Alissa streckte die Beine aus, verzog das Gesicht und rieb sich die Knie.
Mav gab ihr den Becher zurück. »Nun. Dann lass mal sehen.« Verblüfft starrte Alissa sie an. »Na, hast du nicht gerade versucht, eine neue Form in
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