Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
abwechselnd anlegte und aufstellte, auf Connen-Neute, dessen goldene Augen belustigt blitzten, und auf Lodesh, der schamlos bettelte. »Ach, bei den Hunden«, brummte sie und raffte ihren Rock. »Ich kann es nicht fassen, dass ich das tatsächlich tue.«
Lodesh strahlte. Graus scheute nur ein einziges Mal, und sie schaffte es beim zweiten Versuch, hinter Lodesh aufzusitzen. Sie rutschte ein wenig herum und zog sich den Rock wieder über die Knie hinab. »Bereit?«, fragte Lodesh, und sie nickte nervös, obwohl er das unmöglich sehen konnte, aber sie waren sich so verflucht nahe, dass er es vermutlich spüren konnte. Asche, sie waren sich viel zu nahe.
Ohne Vorwarnung wieherte Graus schrill und bäumte sich auf. Alissas Arme schlangen sich um Lodesh. Die Vorderhufe des Pferdes krachten mit einem dumpfen Schlag auf den Boden, der ihre Zähne wackeln ließ. Das lag an Connen-Neute. Er ignorierte Graus’ bebenden Versuch, zur Seite zu tänzeln, und zog Lodesh fast aus dem Sattel. Die Lippen nur eine Handbreit von Lodeshs Ohr entfernt, flüsterte er: »Zügelt die Bestie, bis ich wieder bei Euch bin.«
Mit weißem Gesicht nickte Lodesh, und Connen-Neute ließ ihn los. Lodesh richtete sich auf und trieb Graus vorwärts. Das dumme Pferd ging durch, und Alissa wäre beinahe heruntergefallen. »Festhalten!«, schrie Lodesh zu spät, doch der rasende Galopp verlangsamte sich rasch zu einem flotten Schritt. Lodesh lenkte das Pferd durch das kurze Gras zum Weg. »Sorgen wir dafür, dass er uns sieht, hm?«, schlug er vor. »Um unseren Sieg noch süßer zu machen.«
»Sieg?«, brüllte sie ihm absichtlich zu laut ins Ohr. Dieser Blitzstart hatte ihr gar nicht gefallen. »Aber dann weiß er doch, wohin wir wollen!«
Lodesh kicherte. »Darauf zähle ich ja. Aber Connen-Neute wird bei ihm sein.«
»Und was soll das nützen?«
»Wenn Connen-Neute ihn begleitet, muss Breve sich an die Geschwindigkeit halten, die Connen-Neute vorgibt.«
»Oh …«
»Außerdem«, brummte Lodesh, »bin ich sicher, dass Connen-Neute noch ein paar Worte darüber verlieren wird, ob es wirklich klug ist, einem Meister einen Befehl zu erteilen.« Er erschauerte. »Also«, fuhr er dann fröhlich fort, »werden wir Breve unsere Witterung aufnehmen lassen und dann fliehen wie der Hase, für den er mich hält.«
»Aber ich werde herunterfallen!«, protestierte Alissa.
»Dann solltest du dich lieber gut festhalten.«
Alissa wimmerte und klammerte sich noch fester an ihn.
»Sieh mal«, flüsterte Lodesh und verlagerte das Gewicht. Graus blieb stehen und begann an den nächsten Grashalmen zu zupfen. Sie spähte um Lodesh herum und entdeckte Breve. Er stemmte die Fäuste in die Hüften und starrte sie missbilligend an.
»Das ist unser Stichwort«, flüsterte Lodesh. Graus erhielt offenbar irgendein Kommando, das Alissa nicht mitbekam, und machte kehrt. Diesmal war sie vorgewarnt und umklammerte Lodeshs Taille. Graus stürmte los, und sie schnappte nach Luft.
»Ich bin vor Sonnenuntergang wieder bei dir, Alissa«, empfing sie Connen-Neutes Gedanken vom Waldrand her. »Sorge dafür, dass er sich nicht in allzu große Schwierigkeiten bringt.«
– 43 –
S trell stand am Küchenfeuer und wendete ungeduldig sein Rührei. Alissas schwache Präsenz war auf dem Weg nach Ese’ Nawoer. Er würde sich beeilen müssen, um sie einzuholen, denn ihre Geschwindigkeit wies darauf hin, dass sie zu Pferde unterwegs war. Essen war das Letzte, was er jetzt tun wollte, doch wenn er nichts in den Magen bekam, würde er auf halbem Weg in die Stadt zusammenklappen.
»Sie werden nicht schneller gar, wenn du so wild herumrührst«, bemerkte Talo-Toecan leise.
Strell blickte auf. Der würdevolle Meister spielte heute den Maler und kniete zwischen seinen Pinseln und Lappen vor der Schwelle der Gartentür. Gestern war er Steinmetz gewesen, tags zuvor Kaminkehrer. Strell erinnerte sich, dass sein Vater genauso gewesen war. Wenn ihn Sorgen gequält hatten, hatte sein Vater Dinge repariert. Einmal, als seine älteste Schwester drei Wochen lang krank daniedergelegen hatte, hatte er ganz allein einen zweistöckigen Schuppen aus Lehmziegeln gebaut.
Strell zog die Pfanne vom Feuer, schabte das Rührei auf eine Scheibe geröstetes Brot und fragte sich, was Talo-Toecan wohl für Sorgen gehabt haben mochte, als er die Feste erbaut hatte.
Flüsternde Schritte waren zu hören, und Lodesh erschien im Durchgang. Er zögerte und schien sich zwingen zu müssen, die Küche zu
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