Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
wohl niemandem sonderlich viel bedeutet außer mir.«
Talo-Toecans Blick wurde nachdenklich. »Ihr habt Euer Herz an eine von Redal-Stans Schülerinnen verloren. Das war die, die verschwunden ist, ehe ich sie kennen gelernt habe.« Seine Augen leuchteten auf. »Sie kehrt also zurück!«
»Verflucht sollst du sein bis ans Ende der Zeit«, flüsterte Strell, als Lodesh den Kopf schüttelte. Lodesh hatte es gewusst. Er hatte Alissa verraten. Sie alle verraten.
»Ich weiß nicht, ob sie zurückkehrt«, sagte Lodesh. »Ich weiß nur … ich weiß nur, dass sie damals verschwunden ist.«
Talo-Toecan ballte die Hände zu Fäusten, und sein Gesicht verzerrte sich vor Zorn. »Ihr habt uns Eures Begehrens wegen verraten?«
Lodesh straffte die Schultern. »Es ist mir gleich, was Ihr denkt«, erklärte er mit schockierend gelassener Stimme. »Ihr werdet mir meine Zeit mit ihr nicht mehr nehmen können.« Plötzlich versteifte er sich vor Kummer. »Ich konnte nicht anders! Und ich werde Euch nicht dabei helfen, sie zurückzuholen. Sie ist jetzt bei mir. Sie wird bei mir bleiben. Ihr könnt mich nicht zwingen, Euch zu sagen, wie sie zurückkommen kann!«
Strell rauschte das Blut in den Ohren. Jetzt wusste er, warum Lodesh nie den Eindruck gemacht hatte, als sorge er sich um Alissa. Der Bewahrer wusste, wie man sie zurückholen konnte. Das hatte er mit seinen letzten Worten praktisch eingestanden. Wie konnte er, Strell, es mit einem Bewahrer aufnehmen? Er war nichts. Er verdiente Alissa nicht. Er konnte sie nicht beschützen. Konnte ihr nicht helfen. Sein Feind war mächtiger als er, und er war zugleich sein Freund. Doch Strell wollte verdammt sein, wenn er es nicht wenigstens versuchte.
»Lodesh?«, sagte er ruhig. Als Lodesh sich umdrehte, legte Strell seine ganze Frustration in einen mächtigen Faustschlag. Er traf Lodesh unter dem Auge, mit einer Macht, die seine Hand lähmte, bis zu seinen Füßen vibrierte und stechende Schmerzen durch seinen Arm bis in seinen Schädel schießen ließ.
Lodesh fiel wie ein Stein. Erst stürzte er auf den Tisch, dann auf den Boden. Strell sah zu und umklammerte seine Hand. Bei den Wölfen, es fühlte sich an, als sei sie gebrochen, doch alles gehorchte seinem Befehl, sich zu bewegen. »Falsch, Lodesh«, flüsterte er und streckte die Finger. »Du wirst mir helfen.«
Er achtete nicht auf Talo-Toecan und beugte sich vor, um sich zu vergewissern, dass Lodesh noch atmete. Er blickte auf, und es war ihm gleich, was er in Talo-Toecans Blick sehen würde, doch dessen trauriger, fragender Ausdruck überraschte ihn. »Könnt Ihr ein Seil oder etwas Ähnliches erschaffen?«, bat Strell.
Talo-Toecan schüttelte den Kopf. »Was tust du da?«
Strell verzog das Gesicht. »Einen Schal? Einen Strumpf? Irgendetwas?«
Wortlos erschuf Talo-Toecan einen langen, seidig schimmernden Schal. Er sah sehr feminin aus, und Talo-Toecan zuckte mit den Schultern. »Das war für …« Er verstummte, setzte eine undurchdringliche Miene auf und reichte Strell den Schal. »Das sollte eine Überraschung für Keribdis werden.«
Strell nickte, denn er hörte heraus, wie schwer es Talo-Toecan fiel, das einzugestehen. Er zog Lodesh die Stiefel aus und fesselte ihm die Knöchel. Falls der Bewahrer entkam, würde das jedenfalls nicht an seiner Unfähigkeit liegen.
»Strell. Was tust du da?«
»Würdet Ihr mir bitte helfen?«, bat er. »Meine Hand tut zu weh, ich kann die Knoten nicht richtig festziehen.« Er wartete mit stoischer Geduld, bis der Meister sich stumm neben ihn kniete und den Schal verknotete. Sobald die Knöchel gefesselt waren, wandte sich Strell Lodeshs Händen zu. »Lodesh wird mich in die Stadt begleiten«, erklärte er grimmig. »Er wird mir dabei helfen, Alissa zurückzuholen.«
Mit einem schweren Seufzen richtete Talo-Toecan sich auf. »Du kannst einen Bewahrer nicht gegen seinen Willen festhalten. Sobald er erwacht, wird er einen Bann auf dich legen und entkommen.«
Panik stieg in Strell auf. »Das weiß ich. Aber nicht, wenn Ihr vorher einen Bann auf ihn legt.«
Die Falten in Talo-Toecans Gesicht vertieften sich. »Einen bewusstlosen Mann mit einem Bann belegen? Das ist unehrenhaft.«
»Findet Ihr denn, dass er es verdient hat, ehrenhaft behandelt zu werden?«, entgegnete Strell bitter und scherte sich nicht darum, ob seine Verzweiflung offenkundig wurde.
»Nein.« Das leise Eingeständnis klang sehr traurig, und Strell schöpfte Hoffnung, als er es hörte. »Ein Bann wird uns allerdings
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