Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
nichts nützen«, fuhr Talo-Toecan fort. »Er kann jeden Bann brechen, mit dem ich ihn belege.«
Dennoch erschien ein weiterer Schal, und Strell nahm ihn wortlos entgegen. Mühsam hob er Lodesh an und lehnte ihn mit dem Rücken an ein Tischbein. »Was ist mit diesem Bann, den Ihr im vergangenen Herbst zwischen Alissas Pfade und ihre Quelle gelegt habt, damit sie ihre Pfade nicht benutzen kann? Den Bann, an dem sie sich verbrannt hat?«
Talo-Toecan ging in die Hocke, um Lodesh zu stützen, während Strell dem Bewahrer die Handgelenke fesselte. »Das würde eine Zeitlang funktionieren. Aber es ist falsch, diesen Bann zu gebrauchen, außer jemand ist in unmittelbarer Gefahr.«
Strell zog die Augenbrauen hoch. »Wenn Ihr ihn nicht mit einem Bann belegen wollt, werde ich ihn jedes Mal wieder bewusstlos schlagen, sobald er aufwacht.«
»Das dürfte Gefahr genug sein«, erwiderte Talo-Toecan nickend.
Strell wurde schwindlig vor Hoffnung. »Wir gehen jetzt nach Ese’ Nawoer, der Stadtvogt und ich«, erklärte er. »Lodesh hat gesagt, Alissa sei verschwunden. Er wollte uns nicht sagen, wie wir sie zurückholen können. Aber er weiß, wie es ginge, und er wird es mir sagen.« Strell musterte seinen letzten Knoten. Es war einer von denen, die er an der Küste gelernt hatte. Er hatte ihn sich eingeprägt, um ihn seinem ältesten Bruder als Geschenk mitzubringen. Er war nur zu gern bereit, es jetzt Lodesh zukommen zu lassen. Dieser Knoten brauchte gar nicht so fest zu sitzen. Jede Bewegung von Lodesh würde ihn nur stärker zusammenziehen.
Strell blickte auf. »Könnt Ihr ihn für mich in die Stadt bringen?«
Talo-Toecan schüttelte den Kopf. »Er ist zu schwer, wenn ich nicht durch einen sehr tiefen Sturzflug Schwung aufnehmen kann. Ich bekäme ihn vielleicht in die Luft, aber ohne Unterstützung würde ich ihn vermutlich fallen lassen.«
»Dagegen hätte ich nichts«, bemerkte Strell trocken, richtete sich auf und blickte auf Lodesh hinab. »Dann schaffe ich ihn in einem Handkarren aus dem Stall hinüber. Das wird länger dauern, aber ich schaffe das schon.«
»Selbst wenn du ihn dorthin bringst, was sollte das nützen?«
Strell erstickte seine Zweifel. »Lodesh hat ständig Connen-Neute verscheucht. Er selbst hat sich ebenfalls rargemacht. Ich werde die beiden in der Stadt zusammenbringen. Wenn Alissa dort ist, müsste der andere Lodesh bei ihr sein. Mit ein bisschen Glück ist Connen-Neute auch dabei.« Er spürte, wie sein Gesicht einen hässlichen Ausdruck annahm. »Ich werde Alissa in Gedanken erreichen. Lodesh wird mir sagen, wie sie zurückkommen kann, und dann sage ich es Alissa.« Sein Magen verkrampfte sich in kindlicher, ursprünglicher Angst. Talo-Toecan hatte gesagt, Strells Pfade machten es ihm möglich, sie zu erreichen. Septhama-Punkte, Septhama-Linien, ganz gleich was, er würde sie benutzen, wenn er konnte, trotz der vielen Geister, die er einmal in Ese’ Nawoer gesehen hatte.
»Was ist mit Connen-Neute?«, fragte Talo-Toecan seufzend. »Seit Lodesh ihn zuletzt verschreckt hat, ist es dir nicht mehr gelungen, ihn anzulocken.«
Er schluckte, als seine Entschlossenheit ins Wanken geriet. »Ich schaffe das schon.« Verflucht sei Lodesh, dachte Strell. Er war ein Narr. Spätestens da hätte er erkennen müssen, dass Lodesh sie alle betrog.
»Selbst wenn du ihn anlocken kannst«, beharrte Talo-Toecan, »wird Lodesh Lärm machen und Connen-Neute wieder verscheuchen. Der Bann, mit dem ich seine Pfade binden kann, wird ihm nicht den Mund verschließen.«
Strell lächelte freudlos. Diese Meister waren sehr weise, aber sie neigten dazu, sich allzu sehr auf ihre geistigen Fähigkeiten zu verlassen. Wortlos nahm er den letzten Schal, band ihn Lodesh vor den Mund und zog ihn mit ungesunder Befriedigung fest. Vielleicht war er doch nicht so hilflos.
Talo-Toecan erhob sich und schob die Pfanne voll verbranntem Ei vom Feuer. »Ich suche Connen-Neute und locke ihn so nahe heran, dass du ihn mit deiner Musik zu Boden bringen kannst. Der Geruch von Blut wird ihn wohl dazu bewegen, sein Versteck zu verlassen.«
Erstaunt blickte Strell auf, und Talo-Toecan fügte hinzu: »Ich kann ebenfalls mehr als nur Banne benutzen, Pfeifer. Ich suche ein Schaf und schlachte es.«
Strell holte tief Luft. Er hatte eine Chance. Talo-Toecan hatte ihm eine Chance geschenkt. Er weigerte sich zu glauben, dass es unmöglich war. Er würde Lodesh zwingen, ihm die Lösung zu verraten. Alissa würde wieder nach Hause kommen. Was danach
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