Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
es dunkel ist.«
Connen-Neute glitt von dem Felsen und reichte ihr die Hand, um ihr herunterzuhelfen. »Zikaden?«
»Ja. Heute Morgen haben sie mich wahnsinnig gemacht.«
»Ist mir gar nicht aufgefallen«, sagte er. Seine Hand war anders als Strells, dünner, glatter und viel länger. Alissa zögerte; sie hatte noch nie die Hand eines Meisters in ihrer gehalten. Ihre Zehen wurden feucht, als sie den Boden berührten, und seine Hand entglitt ihr.
»Bis wir da sind, ist es dunkel«, fuhr er fort und riss seinen Blick von ihrer Hand los. »Niemand wird sehen, wie du ankommst und dich zurückverwandelst.« Er verzog das Gesicht, als er ihre nackten Füße bemerkte. »Aber ich weiß nicht, was ich wegen deiner Schuhe unternehmen soll. Ich könnte dir welche erschaffen, aber sie wären viel zu groß.«
Verlegen ging Alissa in die Knie, um sich mit dem Rock zu bedecken. »Ich habe ein Paar Stiefel im Stall stehen«, sagte sie. »Die könnten wir zuerst holen. Und ich sollte wohl Redal-Stan Bescheid geben, wo ich bin.« Plötzlich bekam sie ein schlechtes Gewissen, doch sie schob es rasch beiseite. Sie wäre nie geflohen, wenn er nicht versucht hätte, sie einzusperren.
Connen-Neute nickte. »Alle anderen werden auch Stiefel tragen. Und unterwegs werde ich dir zeigen, was ein paar tausend Jahre Gelehrsamkeit und hundertsechzehn Jahre Flugübung so alles bewirken können.«
»Ach, tatsächlich?«, entgegnete Alissa in freundlicher Herausforderung. »Ich wette, dass Bestie deine tausend Jahre Bewusstheit jederzeit schlagen kann – ob bei Tag oder bei Nacht.«
Connen-Neute musterte sie skeptisch. »Wir werden ja sehen.« Er trat beiseite und verwandelte sich.
Alissa legte ihren Hut und die Grasgirlande auf den Felsen und ging vorsichtig ein paar Schritte weg. Sie wollte ihre Blümchenkette behalten und sie nicht aus Versehen in nichts zerlegen, wenn sie sich verwandelte. Bestie regte sich in ihr, als sie ihre Meister-Gestalt annahm, und gemeinsam betrachteten sie abschätzend Connen-Neute.
Alissas Verdacht bestätigte sich. Sie war tatsächlich kleiner, ärgerlicherweise sogar viel kleiner. Er war so muskulös wie Nutzlos, seine Haut aber bemerkenswert glatt. Er könnte Bestie tatsächlich davonfliegen, befand sie.
Connen-Neutes Blick blieb an der Narbe an ihrer Schwinge hängen. »Ich bin gegen einen Baum geprallt«, sagte sie, und ihre Verlegenheit ließ nach, als er mitfühlend zwinkerte und einen langen Fuß hochhielt. Eines der Zehengelenke war in einem seltsamen Winkel verkrümmt.
»Bin über den Rand einer Klippe gestolpert«, erklärte er. »Bei den Hunden meines Herrn, Alissa«, fragte er, »woher hast du nur einen so langen Schwanz?«
»Talo-Toecan behauptet, den hätte ich von ihm«, sagte sie und wickelte ihn bescheiden zweimal um ihren Körper.
Der junge Raku blinzelte. »Talo-Toecan hat dir sein zellulares Muster zur Verfügung gestellt, als ergänzende Vorlage für dein eigenes?«
Sie nickte. »Aber ich glaube nicht, dass es wirklich daran liegt. Alles, was er hat, ist dieser seltsame Stumpf.«
»Sein Schwanz war nicht immer so kurz.« Connen-Neutes Augen blitzten belustigt. »Wir sind nie dahintergekommen, wie er ein Drittel seines Schwanzes verloren hat, und Keribdis will es uns auch nicht verraten.«
Plötzlich nervös, schnappte sie sich ihre Grasgirlande und schwang sich in die Dunkelheit empor. Sie achtete darauf, ihren zurückgelassenen Papierhut nicht zu berühren, der als stummes Zeugnis ihrer Unterhaltung mit Connen-Neute hier liegen bleiben sollte.
– 25 –
A lissa stützte sich mit einer Hand an Connen-Neutes gewaltigem Oberschenkel ab, während sie Keribdis’ Stiefel überzog. Im Licht des eben aufgegangenen Mondes stieg mit der gespeicherten Wärme des Tages der trockene, tröstliche Geruch der großen Wiese von Ese’ Nawoer vom Boden auf. Er vermengte sich mit dem reinen Duft der blühenden Euthymien. Der Duft dieser Bäume, nach Kiefern und Äpfeln, wirkte immer sehr belebend auf sie.
»Ich verstehe nicht, warum du unbedingt deine Stiefel holen musstest.« Connen-Neute seufzte, und sie verlor beinahe das Gleichgewicht. »Diesen Stallburschen habe ich so erschreckt, dass er die nächsten drei Jahre nicht mehr wachsen wird, von den armen Pferden ganz zu schweigen!« Ein Schauer lief über seine Haut. »Unter deinem Rock kann man deine Füße gar nicht sehen.«
Mit geschürzten Lippen setzte sie sich auf seinen Fuß, um die Stiefel zu schnüren.
»Außerdem bist du
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