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Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Titel: Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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sang. Diese und der Refrain waren die einzigen Teile des Liedes, bei denen man davon ausgehen konnte, dass sie überall bekannt waren, denn wie sie Breve erklärt hatte, bestand der Spaß an dem Lied hauptsächlich darin, sich neue und manchmal ziemlich peinliche Abenteuer für den armen Bauernsohn einfallen zu lassen.
     
    »Taykell war ein guter Junge,
    mit einem Hut und einem Gaul.
    Sechs Brüder hatt’ er obendrein,
    der Jüngste war er, und nicht faul.
    Sein Vater sprach, ›Es tut mir leid,
    ich hab dir nichts zu geben.‹
    Nun ohne Namen, wollt’ er es wagen,
    das blaue Meer zu sehen.«
     

    Die Menge stimmte in den Refrain mit ein, was Alissa vermuten ließ, dass Breve das Lied unablässig gesungen hatte, seit er es von ihr gehört hatte. Sie grölten sogar noch begeisterter mit, als sie es in ihrem Dorf je erlebt hatte, und ihr wurde warm. Asche, wer konnte wissen, was sie Taykell bis zum Ende dieses Abends alles erleben lassen würden?
    Lodesh sah sie an, und ihm blieb der Mund offen stehen, als er den richtigen Schluss zog. »Ihr habt ihm das beigebracht?«
    Sie nickte, und das Ganze wurde ihr immer peinlicher. Das war ein Tavernenlied. Sie dürfte so etwas gar nicht kennen.
    »Na, dann kommt«, sagte er und zog sie noch näher zu Breve. »Ich will es richtig hören.«
    Lodesh ignorierte ihren Protest und schob sich mit ihr durch die Menge, bis sie ganz vorn in dem Kreis standen, der sich um die Musikanten gebildet hatte. Als ein rundlicher Mann mit einer Seidenjacke und einem orangeroten Papierhut einen zweiten Vers sang, hob sie zögerlich den Blick und sah in die fröhlichen Gesichter. Sie hätte nicht sagen können, wer aus dem Tiefland und wer aus dem Hochland stammte. Die Gesichtszüge waren ebenso gemischt wie ihre eigenen. Es war offensichtlich, dass die Feindseligkeit zwischen den beiden Kulturen noch nicht begonnen hatte. Niemand starrte sie an. Niemand flüsterte »Halbblut« . Keiner spuckte ihr vor die Füße, nirgends kaum verhohlene Abscheu. Langsam erkannte sie, dass sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben einfach in einer Menschenmenge verlieren konnte. Ihre Schultern lockerten sich, und sie klatschte leise, als Breve dem rundlichen Mann den Papierhut, der verdächtig nach einem von Connen-Neutes Werken aussah, vom Kopf riss und sich selbst aufsetzte. Der Bewahrer grinste Alissa an und sang ihr einen Vers vor, den sie ihm beigebracht hatte.
     
    »Taykell traf ein Mädchen,
    schön wie der Sonnenschein.
    Er sagt’ ihr, er sei heimatlos,
    drum bot sie ihm ihr Heim.
    Er freut’ sich über Haus und Frau
    und nahm gleich an mit Wonnen.
    Zu spät erschloss sich ihm sein Los.
    Wie hätt’ er’s ahnen können?«
     
    Die feine Gesellschaft brüllte klatschend den Refrain. Belustigt sah sie zu, wie Lodesh die Hand nach dem Hut ausstreckte. Seine Augen funkelten vor Vorfreude. Er setzte sich den Papierhut auf die weichen Locken und wartete, bis die Umstehenden zu Ende gesungen hatten. Alle Blicke waren nun auf ihn gerichtet, und er trat vor, ließ den Pfeifer ein paar Takte allein spielen und begann dann zu singen:
     

    »Denn sie hatt’ einen anderen Werber,
    einen richtig feinen Herrn.
    Der war sehr gut zu ihr,
    beschenkte sie auch gern.
    Ergriffen von der tiefen Liebe
    dieses anderen Mannes,
    zog Taykell hastig sich zurück
    und ging allein von dannen.«
     
    Alissa blieb der Mund offen stehen, während die anderen um sie herum lachend den Refrain sangen. Sie war schockiert von seinem Versuch, »Taykells Abenteuer« zu missbrauchen, um sie davon zu überzeugen, dass sie Strell vergessen sollte, doch sein Humor war ansteckend. Und dies war eine durchaus schickliche Art, in aller Ö ffentlichkeit das Terrain zu erkunden. Mit klopfendem Herzen entriss sie ihm den Hut und setzte ihn sich auf den Kopf. Sie hatte noch nie vor anderen Leuten gesungen, aber Lodesh würde nicht das letzte Wort haben. Ihre Handflächen begannen zu schwitzen, als der Refrain sich dem Ende zuneigte. Sie konzentrierte sich ganz auf Lodesh statt auf das, was sie hier tat, und sang spontan:
     

    »Taykells Mädchen, nun alleine,
    dachte gründlich nach.
    Den Haushalt führen Tag für Tag,
    oh welch ein U ngemach.
    Sie tat nur, was sie wollte,
    das, was sie sollte, nimmer!
    Ein Pferd sie stahl, hässlich und kahl,
    und lief davon für immer.«
     

    Das wissende Johlen, das nun folgte, ließ ihr die Hitze in die Wangen steigen. Sie zog sich den Hut vom Kopf und übergab ihn bereitwillig einer Frau mit braunen Augen,

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