Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
fügte Marga hinzu und bedeutete Alissa, sich zu bedienen. Alissa war halb verhungert, da sie seit dem Morgen nichts gegessen hatte, also knabberte sie höflich an einer Käseblüte und nahm sich dazu ein winziges Brötchen, in Form eines Fisches gebacken.
Lodesh lachte leise. »Vater war dafür bekannt, wie viel Nachsicht er mit seinen Kindern hatte, und gerade du solltest dafür dankbar sein.«
»Was soll das heißen?« Marga hielt mitten in der Bewegung inne – sie war gerade dabei, Wein aus einem Schlauch in einen gläsernen Becher zu gießen. Nur ein Tropfen fiel heraus, der wie ein roter Edelstein in dem Glasbecher lag.
Lodesh warf einen Blick auf die Musikanten und seufzte dramatisch.
»Sarken ist ein wunderbarer Ehemann!«, sagte sie und stieß Lodesh, der bereitwillig umkippte, ins weiche Moos.
»Das kann ich nicht beurteilen«, sagte er. Er lag flach auf dem Rücken und starrte zu den Euthymienblüten an den Zweigen hinauf. »Aber ich weiß, dass er jung ist und ziemlich abgerissen aussieht …«
»Es ist nicht abgerissen.« Marga funkelte ihren Bruder an. »Er ist nur – modisch ungeschickt.«
»Modisch ungeschickt!« Lodesh setzte sich auf. »Der Mann könnte sich nicht einmal aus demselben Färberbottich einen Kittel und eine dazu passende Hose aussuchen.«
»Hör auf!«, rief Marga, nun wirklich verärgert. »Er macht schöne Dinge für mich und füllt meinen Kopf mit all dem, wonach er strebt.«
Alissa verbarg ihr Lächeln hinter einem zweiten Brötchen, als Lodesh die Stirn runzelte. »Streben – da soll mich doch mein Pferd mit dem …«
»Lodesh!«, rief Marga.
»… Huf treffen«, beendete er grinsend den Satz. »Er will dich uns doch nur abspenstig machen.«
Marga blickte zur Tanzfläche hinüber und reichte Alissa einen Becher Wein. »Sarken ist ein wunderbarer Kunsthandwerker, Alissa«, erklärte sie und ignorierte Lodesh, der wiederholt versuchte, sie in die Zehen zu kneifen.
Alissa nippte an ihrem Becher und staunte mehr über dessen Material als über den Most, frisch von diesem Jahr. »Ist er hier?«, fragte sie und hoffte, dass er Strell ähnlich sah – doch dann betete sie, dass es nicht so sein möge.
Margas Augen strahlten. »Er ist dort auf der Stufe mit den Musikanten.« Marga beugte sich begeistert vor, kniete sich hin und suchte die Reihen der dort versammelten Köpfe ab. »Er verdient unseren Lebensunterhalt mit der Töpferei, aber die Musik ist seine erste große Liebe. Da ist er«, sagte sie und winkte. »Er ist der mit der Flöte.«
Mit pochendem Herzen folgte Alissa Margas Blick und erwartete beinahe, Strell zu sehen. Zu ihrer großen Erleichterung war Sarken ein großer Mann mit einem schmalen, bärtigen Gesicht und sehr glattem, pechschwarzem Haar, das länger war als ihres. Er hatte rein gar nichts von Strell an sich.
»Er hat zwei Berufe«, erklärte Marga selbstzufrieden. »Lodesh ist nur neidisch.«
Lodesh verschluckte sich beinahe an seinem Most. »Auf den da?«, platzte er heraus. »Ich will nur nicht, dass du mit ihm gehst, wenn er an die Küste zurückkehrt.«
»Das werde ich nicht.«
»Nicht?« In unverkennbarer Erleichterung stellte Lodesh seinen Becher beiseite und ergriff ihre Hände.
»Nein.« Marga lächelte. »Er will ins Tiefland ziehen.«
»Was?«
»Psst«, ermahnte sie ihn. »Ich glaube, sie wollen jetzt spielen.«
Marga sah nicht, wie bestürzt Lodesh auf einmal wirkte, Alissa aber schon. Er überspielte es, indem er umständlich sein Kissen zurechtrückte, doch ein Schatten blieb, auch, als er wieder aufblickte und Alissa anlächelte.
Die Menge jubelte und klatschte, als das Lied zu Ende ging. In kleinen Grüppchen verließen die Leute den Kreis in der Mitte, um den Tänzern Platz zu machen. Nach einer Reihe verpatzter Einsätze, die die Berufsmusikanten mit einem Augenrollen quittierten, einigten sich schließ lich alle auf ein flottes Tanzlied. Mehrere Paare kehrten auf die Bretter zurück, die bald unter kräftigem Stampfen erbebten. Alissas Herz schlug schneller, und sie spürte, wie Bestie immer rastloser wurde. Auf Marga hatte die Musik eine ähnliche Wirkung. Die Hände der jungen Frau begannen wie von selbst zu klatschen, und ihre Füße zuckten.
Lodesh zwinkerte Alissa zu. »Passt auf«, formte er stumm mit den Lippen und schnürte seine Stiefel fester. Als er fertig war, legte er sich wieder ins Moos und schloss die Augen. Nur seine Finger trommelten im Takt auf seine Brust.
»Lodesh?«, sagte Marga leise. »Tanzen
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