Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alissa 4 - Die letzte Wahrheit

Alissa 4 - Die letzte Wahrheit

Titel: Alissa 4 - Die letzte Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
Vom Netzwerk:
leben.«
    »Sie hat die ersten zwanzig Jahre ihres Lebens ohne Quelle gelebt«, wandte Strell verbittert ein.
    Yar-Taw schüttelte den Kopf. »Sie wird das nicht überleben. Sie wäre bereits tot, wenn Connen-Neute ihr nicht helfen würde. Er hat euch die Zeit erkauft, sich von ihr zu verabschieden. Und er wird vermutlich mit seinem Leben dafür bezahlen.«
    Yar-Taw wandte sich um, als Beso-Ran den Pfad entlanggeeilt kam, anmutig trotz seiner Körperfülle. Er trug mehrere lange Stangen und kurze Pfähle in der Hand. »Ich komme gleich mit der Plane wieder«, erklärte er knapp. Er reichte Lodesh die Stangen und warf Yar-Taw im Gehen einen Blick zu, der deutlicher als Worte sagte, dass dies eine nutzlose Geste war. Offenbar hatte das Konklave ein Bedürfnis nach falscher Hoffnung. Lodesh und Strell machten sich daran zu entscheiden, wo die Stangen aufgestellt werden sollten.
    »Sie hatte einen so starken Willen«, sagte Yar-Taw, eher zu sich selbst als zu ihnen. »Sie wäre eine großartige Meisterin geworden.« Er senkte den Blick. »Sie war eine großartige Meisterin. Stellt euch nur vor – sie hat ihre gesamte Quelle in diesen letzten, trotzigen Schrei fließen lassen.«
    »Trotzig?«, erwiderte Lodesh und hämmerte schnaufend mit Hilfe einer großen Nuss einen Pfahl in den Sand. »Das war kein Trotz. Das war ein Hilfeschrei. So nennt sie Talo-Toecan.« Er hielt inne und ließ die Nuss mit einem dumpfen Geräusch in den Sand fallen. »Nutzlos.«
    Yar-Taw erstarrte und erkannte erst jetzt, woher die Männer diese Hoffnung nahmen. Die Brise, die vom Meer hereinwehte, spielte mit seinen Ärmeln. »Nutzlos? Sie nennt Talo-Toecan Nutzlos?« Yar-Taw runzelte die Stirn. Sie waren am anderen Ende der Welt. Er konnte sie nicht gehört haben. Doch dann erinnerte er sich an die gewaltige Kraft dieses Schreis, schluckte und ließ den Blick über den leeren Strand schweifen.
    Strell und Lodesh arbeiteten beinahe wortlos zusammen. Ihre Verzweiflung war wie verflogen. Sie war energischem Handeln gewichen, einem Handeln, von dem sie offenbar glaubten, es würde etwas bewirken. Yar-Taw fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
    Talo-Toecan würde alles andere als zufrieden mit ihm sein, weil er zugelassen hatte, dass die Dinge so außer Kontrolle gerieten. Bei den Wölfen. Sie hatten nicht nur Connen-Neute getötet, der eben erst auf wundersame Weise zu ihnen zurückgekehrt war, sondern auch Talo-Toecans Schülerin. »Meint ihr denn, er hat sie gehört?«, fragte er.
    Lodesh trieb einen zweiten Pfahl tief in den Sand. Er sah Yar-Taw in die Augen, und aus seinem Blick sprach die beängstigende Weigerung, die Hoffnung aufzugeben. Yar-Taw lief bei diesem Blick ein kalter Schauer über den Rücken. Er hatte ihn bisher erst einmal gesehen: als eine ganze Armee, die nach Rache dürstete, an Lodeshs Stadttore gehämmert hatte.
    »Wenn ich mich nicht sehr irre«, sagte der Bewahrer, »dann hat er sie gehört.«

 
    – 35 –
     

    T alo-Toecan flog. Die Sonne ging vor ihm unter, später, als sie es sollte; er jagte den schwindenden Tag und holte auf. Alissas grauenerfüllter, herzzerreißender Schrei war vor fast drei Tagen durch seinen Geist gehallt und hatte ihn augenblicklich und unwiderruflich in Bewegung gesetzt. Er hatte der Nacht gelauscht, wie er es so oft tat, und nur das Echo ihrer vertrauten Leere gehört. Dann hatte ihr qualvoller Schrei ihn erreicht. Er kam. Wie ein wahnsinniger Traumdämon flog er dahin.
    Unter ihm war nichts als Wasser. Beim Gedanken daran stockten seine Schwingen, doch dann nahmen sie ihren beständigen Schlag wieder auf. Jemand hatte Alissa wehgetan. Er würde in Erfahrung bringen, warum. Er hätte sie nie allein gehen lassen dürfen. Er wusste instinktiv, dass sie das Konklave gefunden hatte. Und dass jemand sie verletzt hatte.
    Warum?, fragte er sich und spürte, wie der Wind abkühlte, als die Sonne unterging. Ja, Alissa war stur und eigensinnig. Sie machte oft Fehler, während sie versuchte, sich zu beweisen. Aber sie zeigte sich stets zerknirscht, wenn man ihr ihren Fehler unter die Nase rieb, auch wenn sie manchmal ein paar Tage brauchte, um ihn einzusehen. Ihr aufbrausendes Temperament hatte sich sehr gebessert. Sie schrie ihn nur noch höchst selten an. Und es war schon sehr lange her, seit sie zuletzt rundheraus »nein« zu ihm gesagt hatte. Eigentlich gab es an Alissa nichts auszusetzen. Sie war geradezu der Archetyp eines jungen Raku und sehr viel versprechend; sie brauchte nur eine sanfte

Weitere Kostenlose Bücher