Alissa 4 - Die letzte Wahrheit
Angst?« Beso-Ran packte ihn am Arm, und Strell musste an sich halten, um ihn nicht zu schlagen. »Talo-Toecan!«, rief er, als er weggezerrt wurde. »Lasst mich Euch erklären, was Alissa gesagt hat!«
»Lasst ihn sprechen.« Talo-Toecan wandte den Blick nicht von Alissa ab.
Beso-Ran zögerte. Strells Herz pochte, und er riss sich von dem massigen Meister los. »Sie sagt, deshalb wäre eure Zahl so rasch gesunken, seit ihr gelernt habt, menschliche Gestalt anzunehmen. Junge Rakus, die ihre wilde Seite zu stark unterdrücken, kommen bei Flugunfällen ums Leben. Jene, die sie zu wenig unterdrücken, verwildern, weil die innere Spannung zu groß ist. Das ergibt einen Sinn. Es passt. Alissa hat noch nicht herausgefunden, wie sie ihr wildes Bewusstsein ganz mit dem Rest von sich vereinen kann, aber sie ist näher dran als alle anderen. Das könnte erklären, warum es ihr möglich war, sich bei der Verwandlung in eine andere Zeit zu versetzen, Euch um die halbe Welt herum zu erreichen, Gegenstände aus Stein aus ihren Gedanken zu erschaffen, sowohl mit Bewahrern als auch mit Meistern zu sprechen, Connen-Neute zur Bewusstheit zurückzubringen, und all die anderen Dinge, die sonst keiner von euch vermag.« Sein Blick huschte von Talo-Toecan zu Yar-Taw und flehte um das geringste Anzeichen von Verständnis.
Die versammelten Meister schienen den Atem anzuhalten, und Talo-Toecans Augen weiteten sich. Dann schüttelte er sich. »Das können wir ausführlich mit Alissa selbst diskutieren«, sagte er heiser.
Strell sog gierig die Luft ein, als die Spannung brach. Endlich. Jemand würde etwas unternehmen. »Kann ich helfen?«, fragte er und war überrascht, als Talo-Toecan nickte.
»Stell dich hier hin«, sagte er und deutete neben Alissa. »Lodesh, du übernimmst Connen-Neute. Alle Übrigen …« Er zögerte und blickte gereizt zu den anderen auf. »Geht weg. Das Letzte, was Alissa will, ist beim Aufwachen in Gesichter zu sehen, die sie anstarren, als wäre sie ein Krüppel.« Auf den Mienen der Umstehenden zeichnete sich alles Mögliche ab, von Zorn bis hin zu Verständnis. Talo-Toecans Gesicht verzerrte sich. »Verschwindet von hier!«, brüllte er. »Sie kam, um nach euch zu suchen, und das ist euer Dank dafür?«
Silla blickte auf. Ihr Gesicht war tränennass, und eine weiße Salzkruste verfärbte ihr schwarzes Haar. »Ich möchte bleiben«, bat sie mit zittriger Stimme. »Alissa ist meine Freundin.«
Augenblicklich verrauchte Talo-Toecans Zorn. Er kniete sich neben sie und nahm vorsichtig eine verbrannte, angeschwollene Hand in seine. »Du darfst bleiben, bis Alissa wieder bei Bewusstsein ist«, sagte er.
Sie lächelte schwach, und er erhob sich. Niemand hatte sich gerührt, und er starrte finster in die Menge. Langsam, zu zweien und dreien, gingen alle davon, bis auf Yar-Taw und Neugwin. »Er ist mein Neffe«, sagte die Frau. Auf ihrem weichen Gesicht sah ihr tiefernster Ausdruck seltsam aus, und Talo-Toecan nickte.
»Was habt Ihr vor?«, fragte Strell, dessen Erleichterung nun wieder in Sorge umschlug.
»In ihre Gedanken gehen und sie aufrütteln«, sagte er mit gerunzelter Stirn. »Connen-Neute hätte sie vermutlich schon selbst herausgezogen, wenn er nicht so damit beschäftigt wäre, sie am Leben zu erhalten. Sobald ich das übernehme, kann er uns alle herausführen. Wenn bis drei gezählt wurde, Lodesh, schlägst du Connen-Neute ins Gesicht. So, dass es wehtut. Pfeifer?« Er wandte sich ihm zu. »Das Gleiche bei Alissa.«
Strell schluckte schwer und versuchte sich vorzustellen, Alissa zu schlagen. Talo-Toecan zögerte. »Kannst du das?«, fragte er, und die Runzeln auf seiner Stirn wurden noch tiefer.
»Wird sie sich daran erinnern?«, entgegnete Strell besorgt, und ein schwaches Lächeln breitete sich über des Meisters Gesicht.
»Wenn wir Glück haben, nein. Aber ich fürchte, ja.«
Strell nickte und erinnerte sich daran, dass Bailic genau das Gleiche getan hatte, um Alissa aufzuwecken, als sie sich zum ersten Mal so weit in ihr Unterbewusstsein zurückgezogen hatte, um unerträglichen Schmerzen zu entgehen.
»Bereit?«, fragte Talo-Toecan, und Strell nickte, »Also schön. Strell, du zählst langsam bis drei. Ich brauche ein wenig Zeit, um Connen-Neute zu finden und ihm zu erklären, was er tun muss.«
Yar-Taw schlurfte näher heran. »Ich zähle.«
»Wenn es dir ein Bedürfnis ist«, erwiderte Talo-Toecan in bissigem Tonfall und schloss dann die Augen. Strell zappelte vor Nervosität und war sich
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