Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
bestätigt.“
„Und wo befinden sich die Knaben jetzt?“
„Nachdem der Bischof gestern Abend eine Messe für sie gelesen hat, brachte man sie ins Kloster, um sie abzusondern. Und gerade …“, noch immer fehlte es dem Mann an Luft, „gerade werden alle Unterkünfte mit Essigwasser gereinigt und ausgeräuchert. Zwar sei dies nicht notwendig, sagen die Ärzte, aber ich habe es dennoch angeordnet. Deshalb haben wir Eure Ankunft nicht würdig vorbereiten können, Sénher!“
„Die Miselsucht also …, und Ihr seid Euch wirklich sicher, Meister Aaron?“
Der Jude nickte. „Es besteht kein Zweifel. Die Knaben haben aus Scham die typischen Maculae verschwiegen, doch als gestern die Knoten zutage traten …“
Inés` Herz schlug laut, als sie die schlimme Nachricht vernahm. Wie gebannt starrte sie den Juden an. Natürlich hatte es auch in Montpellier Aussätzige gegeben, von Zeit zu Zeit. An Pfingsten und Weihnachten war es ihnen erlaubt gewesen, mit der Lazarusklapper vor der Kathedrale zu betteln. Doch wenn Inés nur daran dachte, schauderte ihr bei der Erinnerung an die schmutzigen Tücher, die sich die Aussätzigen über den Kopf gezogen hatten, um ihre zerfressenen Gesichter zu verbergen, und an die löchrigen Säcke, die sie mit sich führten, mit Elend gefüllt bis an den Rand. Diese Krankheit war einer der Gründe gewesen, weshalb der gute Vater befohlen hatte, dass man in seiner Stadt fortan Medizin lehrte.
Da Inés nicht als ängstlich gelten wollte, trat sie ein Stück aus dem Schatten heraus, wobei ihr Haar im vollen Sonnenlicht wie Feuer aufleuchtete. Da erst bemerkte sie der Jude. Nachdem er sie gebührend begrüßt hatte, empfahl er ihr eindringlich, für einige Wochen Aufenthalt in der nahegelegenen Burg derer von Saïssac zu nehmen.
„Die Luft in den Bergen ist um vieles gesünder als hier in der Stadt“, sagte er, und zum Trencavel gewandt: „Auch Euer Oheim hat sich gestern dorthin zurückgezogen.“
Der Vizegraf war nicht aus grobem Holz geschnitzt, doch nun bekam er ordentlich Lust, loszupoltern: „ Jhesu Crist! Mein Oheim hat während meiner Abwesenheit die Stadt verlassen? Wie das, Meister Aaron?“
Der Jude wirkte bekümmert. „Nicht der Miselsucht wegen, Sénher!“, versuchte er ihn zu beruhigen. „Ein ... ein übles Gerücht lief durch die Stadt!“
„Von wem ausgehend?“ Die Stimme des Vizegrafen klang barsch.
Aaron verzog das Gesicht. „Von Bischof Bérenger vermutlich. Euer Oheim war darob in größter Sorge ... Reitet nach Saïssac, Sénher! Er wird Euch alles erzählen.“
Doch der Trencavel wollte die Stadt nicht verlassen. Er befürchte, so erklärte er Aaron und den anderen, dass ihm „die Flucht aus Carcassonne“ als Feigheit ausgelegt werden könnte und dass es darob zu Schlimmerem als Gerüchten käme - zu offenen Tumulten. „ Abyssus abyssum invocavit “, zitierte er, „ein Fehler zieht für gewöhnlich den anderen nach sich. Ich bleibe hier.“
„Man wird jede Eurer Entscheidungen zu rühmen wissen, Vizegraf“, meinte der Hofmeister mit einer tiefen Verbeugung, erleichtert, die Verantwortung für die Stadt nicht allein tragen zu müssen.
Endlich erinnerte sich der Trencavel wieder seines ungetreuen Herolds. „Bringt mir den Mirepoix herbei“, befahl er Peter von Cabaret. „Ich habe seine Narrenpossen endgültig satt! Und dann verständigt die Vögte. Wir müssen Vorkehrungen für die Stadt treffen.“
Mit Otho von Mirepoix` spitzem Maul und Eigenmächtigkeiten hatte es schon einmal Schwierigkeiten gegeben. Der stämmige Vogt, das Gesicht wind- und wettergegerbt, gehörte zu den zwölf Schiedsrichtern der Stadt, die jährlich gewählt wurden und deren Aufgabe es war, die gemeinschaftlichen Geschäfte, Rechte und Privilegien der Bewohner von Carcassonne gegenüber den Leuten des Vizegrafen zu verteidigen. Er stand - und das erschwerte ein Vorgehen gegen ihn - unter dem besonderen Schutz Bischof Bérengers, der ihn vor drei Jahren nach Carcassonne geholt und für dieses Amt vorgeschlagen hatte.
Otho war ein ausgewiesener Feind der Katharer, und somit seiner eigenen Brüder, die in guter Gemeinschaft mit Häretikern auf der väterlichen Burg Mirepoix lebten. Dass sich Otho nun unerlaubt in Sicherheit gebracht hatte, war für den Trencavel ein trefflicher Grund, ihn scharf zu maßregeln. Man würde sehen ...
Mit einem Kopf voller beunruhigender Gedanken und traurigem Herzen, weil es nun hieß, von seiner jungen Braut Abschied zu nehmen, bevor er
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