Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Aufhebens!“ Der Maure legte Alix den Pelz um die Schultern, fasste sie grob beim Arm und geleitete sie aus dem Laden, vor dem sich bereits neugieriges Volk versammelt hatte.
Stumm und mit finsterem Gesicht führte Rashid das Pferd, auf dem Alix saß, in „das Reich des Drachen“ zurück. Die Gaffer waren nicht zu zählen, die mit schadenfrohem Grinsen den schmachvollen Ritt „der Erzbischöflichen Hure“ vom Laden des Juden Löw bis hin zur hölzernen Zugbrücke mitverfolgten.
Der Weg war lang. Alix` Mut sank mit jedem Schritt des Pferdes. Viel leichter war es Steine zu erweichen, als Bartomeus Herz. Ja, sie musste froh und dankbar sein, wenn er sie nicht totschlug!
Kaum war sie abgesessen, tauchte wie von Zauberhand der Bucklige mit der Flöte auf. „Bossu, Bossu“, rief er. Er trat ihr jedoch nicht zu nahe, lachte sie nur über das breite Gesicht an, so dass seine Augen regelrecht im Fett der Wangen verschwanden. Was Alix in der Nacht ihrer Ankunft nicht hatte sehen können war, dass der Kleine keine gewöhnlichen Haare besaß, sondern ein helles Gespinst von Marienfäden, wie sie einem im Altweibersommer ins Gesicht flogen. Darunter leuchtete die rosige Kopfhaut.
Während er sie unverwandt anstarrte, vernahm Alix, wie der Maure hinter ihrem Rücken dem Pferdeknecht einen Auftrag erteilte. Noch bevor sich Rashid wieder umdrehte, lief der Bucklige vor ihm davon, verbarg sich jedoch hinter einer hohen Pappel, deren noch unbelaubtes Geäst in das blasse Grau des Himmels ragte, und beäugte sie von dort weiter.
Rashid packte Alix grob beim Ellbogen und zerrte sie mitten durch ein finsteres und schmutziges Gelass, in dem die Ratten Hof hielten. Als sie sah, dass der Weg zum Rabenstein führte, der Richtstätte, die er ihr und Estrella einmal vom Dach des Turmes aus gezeigt hatte, war sie erschüttert. Erneut baumelten dort nackte, verstümmelte Männer am Galgen, unter deren Füßen die schwarzen Gesellen des Unglücks saßen, mit hängenden Flügeln, vier, fünf, sechs an der Zahl, vollgefressen ... lauernd.
Alix fürchtete um ihren Verstand. Sie konnte sich vieles vorstellen, nur nicht, dass der Maure die Macht besaß oder den Befehl bekommen hatte, sie hier eigenhändig aufzuknüpfen und den Krähen zum Fraß vorzuwerfen.
Sie riss sich von ihm los, weigerte sich, auch nur einen Schritt weiterzulaufen.
„Was habt Ihr mit mir vor?“, fragte sie im forschen Tonfall der Adligen, obwohl sie sich vor Angst innerlich krümmte.
„Mit Euch gar nichts“, antwortete der Maure mit eisiger Miene, dann zog er sie mit seiner ganzen Kraft weiter, stieß sie zuletzt die vier Stufen hinauf, die zur gemauerten Plattform führten.
Die Raben krächzten empört. Sie wichen auf die Umfassungsmauer aus, wo sie unruhig hin und her trippelten. Einer der Vögel beobachtete Alix ...
Als kurz darauf der blutjunge Wachsoldat eintraf, mit nacktem Oberkörper und an den Händen gefesselt, hing um seinen Hals bereits ein kräftiges Hanfseil. Der Pferdeknecht übergab Rashid eine Peitsche, dann versetzte er dem Soldaten einen groben Tritt in die Kniekehlen, worauf der Junge zusammenbrach und Alix vor die Füße stürzte.
„An den linken Pfosten“, befahl Rashid, „mit dem Rücken zu mir!“
Der Knecht zerrte den heftig Widerstrebenden und um Gnade Flehenden zum Galgen, band ihn dort fest, steckte ihm ein Stück Holz in den Mund, das zuvor im Dreck gelegen hatte.
Dann trat Rashid auf den Plan, die Peitsche in der Hand.
„Bitte“, rief Alix in höchster Verzweiflung, bis in die Lippen erblasst. „Es war doch nicht seine Schuld, dass ich geflohen bin. Peitscht mich für ihn aus!“
Doch da sauste der Lederriemen bereits über den Rücken des Soldaten. Die Haut platzte auf.
Der Junge schrie, stöhnte. Alix sprang hinzu und fiel Rashid, noch bevor er ein zweites Mal zuschlagen konnte, in den Arm. Der Maure jedoch schubste sie brutal von sich, so dass sie zu Boden stürzte.
„Wagt das kein zweites Mal, Frau!“, brüllte er sie an. „Auch mit meiner Geduld ist es irgendwann zu Ende. Oder seid Ihr zu feige, einer Bestrafung zuzusehen, die Ihr zu verantworten habt?“
Er hörte erst mit dem Auspeitschen auf, als der Rücken des Türwächters eine blutige Wunde war.
Als Alix später erfuhr, dass das Tor nur deswegen für wenige Augenblicke nicht bewacht war, weil der Soldat krampfartige Schmerzen und Durchfall bekommen hatte, während derjenige, der ihn hätte ersetzen sollen, mit den gleichen Beschwerden stöhnend auf
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