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Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot

Titel: Aljoscha der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Erdmann
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Daß ich also – um zusammenzufassen – jederzeit bestrebt bin, dieser besonderen Gabe meine Achtung zu erweisen! Indem ich was tue? Indem ich mir sage, da siehst du, du Blindschleiche! Das hat sie gesehen. Das läßt sie dich sehen. Aber, ich will es gar nicht leugnen, manchmal will mein Sinn für diese Wunder nicht zu voller Höhe aufsteigen – es kommt vor, daß mein Überschwang sich in Grenzen hält… daß sich vielmehr überhaupt nichts dergleichen einstellt – wenn ich also blöd wie Reissuppe dastehe, was dann? Gesten der Ungeduld? Zur Eile antreiben? Ich? Ein Königreich für ein Pferd? Hunde, wollt ihr ewig kacken? Nichts dergleichen. Und das nicht etwa aus Höflichkeit! Gerade darin läge ja die Beleidigung, eine Hundsfotterei, die – “
    „Na, na!“
    „Sondern vielmehr deshalb nicht, ich hämmere es in deinen Schädel, Volk: weil ich in derselben Welt bleiben will wie sie, die mir die Dinge zeigt… und in bester Ordnung wäre alles, wenn nicht eine Winzigkeit in die Quere käme wie das Stück Gemüse im Bett der Prinzessin – übrigens ein Gedanke von niederer Herkunft, kaum weiß er sich zu artikulieren, ein lumpiger Zwischenruf, nichts weiter! Und doch, ist es nicht eine Frage der Humanität, auch diesen Jammergestalten Gehör zu schenken, die kaum ein Zwirn zusammenhält? Der Gedanke ist nämlich – das heißt, eigentlich ist es mehr ein Tatbestand – tatsächlich, dieses Gedankenwrack maßt sich an, als Tatbestand zu reisen, wo kommen wir noch hin? Und doch, der Tatbestand ist nämlich dieser, daß ich nun meinerseits, wenn also ich es bin, der noch verweilen will bei einem Anblick, bedroht bin von der Auskunft, daß es da um Kopf und Kragen geht, daß mein Dasein am seidenen Faden hängt… mir droht, der Zeitvergeudung angeklagt zu werden. Der Tagedieberei. Des sittlichen Tiefstands! In Ungnade gefallen! Entrechtet! Boykottiert!“
    „Aljoscha, geht es dir auch gut?“
    „Oh, ich behaupte lediglich, daß es zuweilen der Fall ist. Ich könnte Exempel anführen…ich wäre in der Lage, die Anwesenden mit einer Sammlung von Exempeln zu unterhalten. Aber wer ist zu Streitigkeiten aufgelegt, wenn ein Weib am Rand der Ohnmacht steht? Und darum also, sofern man keine Einwände hat, daß jetzt ein Gleichnis kommt – kommt jetzt ein Gleichnis. Von dem, was wir nennen wollen das Selbstverständliche. Wir können es auch anders nennen, aber jetzt nennen wir es das Selbstverständliche. Das Selbstverständliche, Brüderund Schwestern, ist ein launisches Ding. Es ist nur da, solange man es nicht für selbstverständlich hält. Wenn aber einer darauf zeigt und sagt: ich finde, das sollte selbstverständlich sein, dann ruft es nein! und ist dahin. Launisches Ding, wie ich schon sagte. Es kommt erst wieder, wenn man es nicht mehr beim Namen nennt. Es lebt gern im Verborgenen. Am besten so tun, als wäre es gar nicht da. Ende vom Gleichnis. Was will ich eigentlich?“
    „Was willst du eigentlich?“
    Aljoscha stieg von seinem Podest. „Ich will nichts dir zuliebe tun, und ich will nicht, daß du etwas mir zuliebe tust. Ich will Dinge mit dir zusammen tun.“
    Leda sah ihn an mit großen Augen. „Bist du wirklich empört?“
    Ihre Frage klang, als hätte sie eben ein Pamphlet von Wolkenkuckucksheimer Freischärlern gelesen. Er war tatsächlich nicht empört. Nicht im geringsten. Übrigens, warum hätte er nicht empört sein sollen? Hatte er etwa nicht das Menschenrecht, sich zu empören? Was war so drollig daran, daß er womöglich empört war?
    „Also, zurück ins Hotel?“ fragte er.
    „Sagtest du vorhin, ein Gott hing am Baum?“
    „Ja, Odin. Hing mal am Baum.“
    „Und warum?“
    „Eine Art Einweihung, glaube ich.“
    „Also ein Opfer, oder wie?“
    „Ja, genau. Ich finde, es ist eine wunderbare Nacht zum Streunen.“
    „Aber ich bin wirklich sehr müde, Aljoscha.“
    Aljoscha nickte. „Wir könnten uns auch trennen“, sagte er. „Du gehst schon zur Pension, und ich – “
    „Ich soll allein gehen? Das kannst du doch nicht wollen!“
    Ohnehin nicht von herkulischer Kraft, fiel der Vorschlag in der Tat sogleich vor Schwäche um. Aljoscha versprach, daß er Leda nie allein durch solche Nächte gehen lassen würde und immer auf sie aufpassen würde so wie jetzt, da sie engumschlungen ihres Weges gingen. Nach einer Weile stießen sie auf eine Menschentraube, die sich um drei Musikanten herum gebildet hatte. Mit einer Reihe von Gassenhauern rangen die Barden den Umstehenden die ganze

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