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Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot

Titel: Aljoscha der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Erdmann
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deren Eintritt der ganze Salon verstummt, und die dann in das Schweigen hinein erklärt: der König ist nutzlos. Das wäre mein Ideal.“
    „Siehst du, er redet am laufenden Band von anderen Frauen!“ stöhnte Leda.
    „Das war nur eine Metapher, Herr im Himmel!“
    „Niemand hat mich darauf vorbereitet, als ich ein kleines Mädchen war!“
    „Worauf?“ fragte Sonja.
    „Daß ich mit einem Mann leben würde, der am laufenden Band aus Frauen Metaphern macht!“ sagte Leda.
    „Solange er sich nur in Bilder verliebt…“, sagte Sonja.
    „Aljoscha nimmt mich nie ernst“, sagte Leda. „Vor einem Monat, als er – “
    „Blödsinn!“ rief Aljoscha dazwischen.
    „… bei mir gewohnt hat, und wir in der Küche waren und das Essen machten, sagte ich zu ihm, daß ich ein ernster Mensch bin. Und er hat Möhrenstücke in die Luft geworfen und versucht, sie mit dem Kochlöffel zu treffen.“
    „Man muß versuchen, die Materie unter der Fuchtel zu haben“, sagte Aljoscha. „Und ich nehme dich so ernst wie sonst keiner auf der Welt irgend etwas ernst nimmt!“
    „Das weiß ich doch“, sagte Leda. „Es war nur Spaß.“
    „Glaubst du wirklich, Leda könnte jemals einen anderen lieben?“ fragte Sonja, in den Augen ein Gemisch aus Abgeklärtheit und Naivität.
    „Leda hat geträumt, daß ich sie verlasse. In einer dieser Nächte, als ich bei ihr wohnte. Sie wachte weinend auf, und ich hielt sie fest, und sie weinte weiter.“ Er sah Leda an. „Ich muß ein hoffnungsloser Fall sein, wenn ich solche Träume auslöse.“
    „Ach, wer weiß, warum ich das geträumt habe“, sagte Leda. „Wahrscheinlich bedeutet es ja etwas ganz anderes. Irgendeine Kleinigkeit.“
    „Ein so böser Traum um irgendeine Kleinigkeit?“ zweifelte Sonja.
    „Oh, ich fürchte, ich bin sogar im Schlaf noch sehr konkret“, sagte Leda.
    „Aber warum verließ Aljoscha dich in deinem Traum?“
    „Ich erinnere mich kaum noch“, antwortete Leda. „Etwas zog ihn fort. Es war nichts Sichtbares, wenigstens nicht für mich. Es war eine Macht, die – schon immer da war. Das war wohl das Erschreckende… daß diese Macht schon immer da gewesen ist. Aljoscha gehörte irgendwie zu ihr, ich weiß nicht wie… es schien ihm ganz natürlich, ihr zu folgen. Und danach kam es mir eben eine Zeitlang nicht wie ein Traum vor. Bestimmt, weil ich schon weinend aufgewacht bin.“
    „Komisch, daß manche Träume wirklicher erscheinen als andere“, sagte Sonja.
    „Scheint dir denn im Wirklichen alles gleich wirklich?“ fragte Aljoscha.
    „Nein, aber da kann ich es mir erklären.“
    „Ich finde es unheimlicher, wenn die Wirklichkeit unwirklich wird“, querulierte Aljoscha.
    „Vielleicht“, wandte Sonja sich wieder an Leda, „hast du an Aljoscha eine Veränderung bemerkt, und in deinem Traum ist ein Aljoscha gegangen, weil ein anderer Aljoscha gekommen ist.“
    „Und welcher sitzt jetzt neben mir?“ In Ledas Augen funkelte etwas, das in Worte übersetzt geklungen hätte wie: Bring mich ans Ende deiner Weisheit, und Aljoschas Blick hielt es ein paar Sekunden lang da fest.
    „Ich würde lieber bleiben“, sagte er.
    „Ich weiß“, sagte sie.
    „Du hast womöglich recht, Sonja“, sagte er dann mit einem Ruck auf seinem Stuhl. „Ich habe auch darüber nachgedacht. Vielleicht gibt es sogar in der Liebe das, was die Römer Finis terrae nannten. Ende der Welt. Äußerste Grenze. Es gibt kein Dahinterkommen. Man kann nicht eindringen. Betreten ist nicht einmal verboten, es ist nur unmöglich. Ich habe niemals glauben wollen, daß es so eine Barriere in der Liebe gibt. Liebe ist der Einspruch gegen jede Grenze, dachte ich. Das Abschaffen aller unbetretbaren Regionen. Vielleicht habe ich mich getäuscht. Vielleicht hat jeder für jeden ein Ende der Welt. Vielleicht bleibt in dem Menschen, den ich liebe, immer etwas Unerreichbares. Etwas, das sich gerade mir entzieht, obwohl es für andere existiert.“
    „Liegt nicht darin auch ein Reiz, daß es sich entzieht?“ fragte Sonja.
    „Ein Reiz, ein Schmerz… jedenfalls ist es unsinnig und dumm, deshalb eifersüchtig zu sein.“
    „Eifersucht?“ fragte nun Leda. „Aber worauf warst du denn eifersüchtig?“
    „Das weißt du gut. Auf alles ohne mich.“
    „Da ist nichts, das weißt du sehr gut!“
    „Hingabe. Die Hingabe an dein Werk, an deine Arbeit. Und an die Welt, die damit zu tun hat.“
    „Solche Hingabe ist doch bewundernswert“, meinte Sonja.
    „Das sage ich doch! Wenn jeder so wäre,

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