All the lonely people
in
jedem
Raum ein TV-Programm zu sehen ist, war mir neu. Aber die Tatsache, dass viele Menschen Medien benutzen, um ihrer Einsamkeit zu entfliehen, ist allgemein bekannt. Kaum kommen sie nach Hause, setzen sie sich an ihren Computer und gehen ins Internet. Sie stellen das Radio oder den Fernseher an, greifen zum Telefonhörer. Sie halten es nicht aus, mit sich allein zu sein.
Bloß, es nützt wenig, sich zu betäuben. Zwar fühlt man sich für den Moment besser, doch dadurch ändert sich nichts grundlegend. Im Gegenteil: Je heftiger wir vermeiden, unserer Einsamkeit zu begegnen, desto weniger werden wir sie los.
Das Tao der Einsamkeit
I n der chinesischen Weisheitslehre des Taoismus lautet eine wichtige Regel: »Was du vernichten willst, musst du sich erst einmal ausdehnen lassen.« Sobald wir etwas verdrängen oder angestrengt klein halten, hat es uns voll im Griff. Unterdrückter Zorn brodelt weiter, verleugneter Hass vergiftet uns das Herz, heimlicher Ehrgeiz oder Kummer zerfressen uns. Wenn wir davon loskommen wollen, müssen wir uns unseren Emotionen oder Wünschen stellen. Erst wenn wir sie nach allen Seiten ausloten, sie soweit wie möglich aussprechen und ausleben, verlieren sie ihre Macht. Dann ist, wie man so schön sagt, »die Luft raus«.
Das gilt auch für die Einsamkeit. Anstatt sie mit hektischen Aktivitäten oder Unterhaltung zu verdrängen, sollten Sie ihr bewusst ins Auge sehen und sie groß und deutlich werden lassen. Nach der Regel des Taoismus möchte ich Ihnen dazu gerne eine Anleitung geben.
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Setzen Sie sich zehn Minuten lang still hin.
Warten Sie auf einen Moment, in dem Sie eigentlich aktiv werden und die Einsamkeit verdrängen möchten, indem Sie den Fernsehknopf drücken, eine Illustrierte lesen oder jemanden anrufen wollen. Führen Sie Ihr Vorhaben nicht aus, sondern setzen Sie sich stattdessen ein paar Minuten lang ruhig in einen bequemen Sessel. Wenn Sie möchten, schließen Sie dabei die Augen.
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Nehmen Sie die Beobachterperspektive ein.
Beobachten Sie, was während dieser Ruhephase in Ihnen abläuft. Schauen Sie sich aus einer wohlwollenden Distanz an. Lassen Sie sämtliche Gedanken und Gefühle zu, und registrieren Sie sie ganz neutral, zum Beispiel »Ich fühle mich leer«, »Ich langweile mich«, »Ich werde nervös«, »Was soll der Psycho-Quatsch, das ändert ja doch nichts«. Auf diese Weise erfahren Sie, was unter Ihren bisherigen Abwehrmechanismen verborgen liegt. Darüber hinaus stellen Sie fest, dass offenbar ein Teil von Ihnen, nämlich der »Beobachter«, durchaus den Überblick über Ihre Einsamkeitsgefühle behält und Sie nicht völlig darin versinken. Das ist ein sehr beruhigendes Gefühl.
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Schreiben Sie auf, was Sie in diesen zehn Minuten gedacht oder empfunden haben.
Es wirkt entlastend, sich einmal alles von der Seele zu schreiben. Außerdem protokollieren Sie Ihre Gefühle und Gedanken und können genau verfolgen, wie sie sich im Laufe der Zeit positiv verändern. Diese kleine Übung sollten Sie regelmäßig durchführen. Sie können sie auch gerne verlängern. Schon bald werden Sie feststellen, dass es Ihnen sehr gut bekommt, Ihre Aufmerksamkeit von außen nach innen zu richten. Gewiss begegnen Sie dabei auch dem Schmerz, den Einsamkeit auslöst, doch er ist heilsam. Auf diese Weise unterdrücken Sie Ihre Einsamkeit nicht mehr, sondern verwandeln sie nach und nach in innere Stärke.
Gute Unterhaltung mit sich selbst
U nabhängig von anderen werden Sie auch, wenn Sie sich selbst gut beschäftigen können. Vielen Menschen fällt die Decke auf den Kopf, |185| sobald sie alleine sind. Schon die bloße Tatsache, dass niemand in der Nähe ist, macht sie panisch. Teilweise ist das natürlich eine Temperamentsfrage. Introvertierte Typen haben es in diesem Punkt oft leichter als die schon von ihrer Veranlagung her mehr nach außen gerichteten extrovertierten Typen. Für beide lassen sich jedoch angenehme und passende Beschäftigungen auch ohne Gesellschaft finden. Hier ist eine kleine Auswahl. Kreuzen Sie doch einmal an, was Ihnen Spaß machen könnte:
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Haben Sie einige Dinge angekreuzt, die Ihnen gefallen könnten? Dann möchte ich Sie ganz direkt fragen: »Warum haben Sie das denn bisher noch nicht oder nur sporadisch getan?« Die Antwort kann ich mir denken. Ich kenne sie von mir selbst und von vielen anderen: Wir sind zu bequem. Irgendetwas hindert uns daran, die Dinge zu tun, von denen wir genau wissen,
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